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peter bürger hiroshima, der krieg und die christen - Friedensbilder

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Nun geht es allerdings schon bei <strong>der</strong> ungeschminkten Selbsterkenntnis<br />

des Einzelnen keineswegs um vor<strong>der</strong>gründige Tugend o<strong>der</strong><br />

Wahrhaftigkeitsideale. Noch nie hat ein Mensch sich selbst wirklich<br />

lieben gelernt, <strong>der</strong> beim Blick in den Spiegel unfähig war, sein konstruiertes<br />

Selbstbild in Frage zu stellen <strong>und</strong> seine „hohe Moral“ als<br />

mögliche Lügnerin in Betracht zu ziehen. Noch weniger geht es beim<br />

kollektiven Verzicht <strong>der</strong> Zivilisation auf narzißtische Oberflächlichkeit<br />

<strong>und</strong> Verdrängung um ein äußeres Ethos. Die Menschheit benötigt<br />

Erinnerung <strong>und</strong> den Blick in den eigenen Abgr<strong>und</strong> vielmehr<br />

zum Überleben. Ohne eine gewandelte Erinnerungskultur – jenseits<br />

<strong>der</strong> Angst – wird sie nichts von dem lernen, was sie für eine Verantwortung<br />

gegenüber den noch nicht Geborenen <strong>und</strong> zur Erk<strong>und</strong>ung<br />

ihrer möglichen Schönheit braucht.<br />

1. Was sagt Truman, wenn er in den Spiegel schaut?<br />

Behutsam formuliert <strong>der</strong> US-Psychiater Robert J. Lifton: „Es mangelt<br />

in <strong>der</strong> amerikanischen Erfahrung an einer Tradition des Eingestehens<br />

von falschem Verhalten <strong>und</strong> schwerwiegenden Fehlern.“ 4<br />

Ob es beson<strong>der</strong>e US-amerikanische Neigungen zu einer narzißtischen<br />

Erinnerungskultur gibt – zumal im Kontext <strong>der</strong> für jede imperiale<br />

Geschichtsschreibung üblichen Ausblendungen –, das ist nicht<br />

unsere Leitfrage. Es geht beim Thema Atombombe nicht um eine<br />

einzelne Nation o<strong>der</strong> sogenannten „Antiamerikanismus“, son<strong>der</strong>n<br />

um <strong>die</strong> Zukunft <strong>der</strong> menschlichen Gattung. Wenn im folgenden von<br />

US-amerikanischen Akteuren o<strong>der</strong> Zeugnissen <strong>die</strong> Rede ist, lautet<br />

<strong>die</strong> Überschrift stets: Es fehlt <strong>der</strong> menschlichen Zivilisation in gefährlicher<br />

Weise „an einer Tradition des Eingestehens von falschem<br />

Verhalten <strong>und</strong> schwerwiegenden Fehlern“.<br />

Nur achtzehn St<strong>und</strong>en nach dem Abwurf von „Little Boy“ über<br />

Hiroshima zeigte sich US-Präsident Harry S. Truman fähig, in einer<br />

Presseerklärung am 6. August 1945 Pläne für eine Kommission zur<br />

zivilen Nutzung <strong>der</strong> Kernenergie zu unterbreiten. Bis zu seinem Tode<br />

Coulmas 2005, 80. Zur Geschichtspolitik mit „Hiroshima“ bietet <strong>die</strong>ser<br />

Autor einen exzellenten Überblick.)<br />

4 Zitiert nach: Folter im Namen <strong>der</strong> Freiheit (BRD 2004), Dokumentarfilm von<br />

Arnim Stauth <strong>und</strong> Jörg Armbruster (ausgestrahlt am 10.6.2004 im TV-<br />

Sen<strong>der</strong> Phoenix). – Vgl. auch den Abschnitt „Unschuldskomplex <strong>und</strong><br />

Todesstrafe“ in: Bürger 2005b, 163-166.<br />

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