Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen
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gen wird, dass sie für die Menschen im Kanton von entscheiden<strong>der</strong> Relevanz sind.<br />
Weiter wird die Bevölkerung so eingeschätzt, dass <strong>der</strong> Wert des ÖV für sie über einen<br />
rein funktionalen hinausgeht und auch die emotionale Ebene betrifft. Der regionale<br />
Busverkehr, die entsprechenden Verkehrsunternehmen und ihre Busse stellen wichtige<br />
Identifikationssymbole für die Bevölkerung dar.<br />
„Wissen Sie, <strong>der</strong> ÖV ist hier bei uns hochemotional, in <strong>der</strong> ganzen Bevölkerung. Also, ich bekomme<br />
kaum in einem Bereich - und ich habe einige sehr große Bereiche in meiner Direktion -<br />
so viele Schreiben, Briefe, Telefonate o<strong>der</strong> direkte Ansprachen, wenn ich draußen bin, wie im<br />
ÖV-Bereich. Da geht es nicht nur darum, von A nach B zu kommen. Also, das ist wirklich, ich<br />
muss sagen, das ist etwas sehr, sehr Emotionales. […] Wir hatten hier mal einen Farbwechsel<br />
<strong>der</strong> Busse und Trams. Das war ein Riesenthema. Ein Riesenthema. Das war unglaublich, wirklich<br />
jetzt. Und heute ist die Reklame auf den Fahrzeugen ein weiteres Thema, sehr emotional.<br />
Man muss wissen, ich fahre selber sehr viel ÖV. Deshalb bekomme ich das auch immer mit.<br />
Die Leute kennen mich, sprechen mich auch direkt an. Dann kommt ein rosarotes Tram mit<br />
<strong>der</strong> Farbe einer Confiserie. O<strong>der</strong> ein weißes Tram, mit dem Namen eines bekannten Technologiekonzerns<br />
drauf. Das ist unglaublich, was es da für negative Reaktionen gibt. Wieso kommen<br />
die jetzt in Weiß o<strong>der</strong> Rosarot daher, fragen die dann. Das ist wirklich ein Thema auf <strong>der</strong><br />
<strong>St</strong>raße, das ist wirklich eine Frage <strong>der</strong> Identifikation.“ (Interview Case A, pol. AT 1 2009)<br />
Die Berücksichtigung funktionaler Qualitätswerte wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Sicherheit,<br />
Zuverlässigkeit im Wertesystem ist eine notwendige, aber keine hinreichende<br />
Bedingung, um dem angenommenen Qualitätsverständnis <strong>der</strong> Bevölkerung zu entsprechen.<br />
Vielmehr zeichnet sich Qualität für die Bevölkerung in <strong>der</strong> Einschätzung des<br />
politischen Aufgabenträgers maßgeblich auch durch „weiche“ Qualitätsaspekte wie<br />
eine bestimmte Farbe <strong>der</strong> Busse, die unverwechselbare Melodie in den Bussen bei <strong>der</strong><br />
Haltestellenansage, das Personal mit seinen bekannten Begrüßungsritualen und mit<br />
seiner typischen Kleidung o<strong>der</strong> den auf Haltestellen, Billetts o<strong>der</strong> Fahrzeugen omnipräsenten<br />
Firmennamen des jeweiligen Verkehrsunternehmens aus, denn all das ist<br />
zum festen Bestandteil <strong>der</strong> öffentlichen Wahrnehmung des eigenen Kantons und damit<br />
des Alltags <strong>der</strong> Bevölkerung geworden.<br />
Neben den dominierenden qualitativen Aspekten des ÖV lassen sich weitere, untergeordnete<br />
Werte für den politischen Aufgabenträger im Hinblick auf den regionalen<br />
Busverkehr und die Vergabe <strong>der</strong> Angebotsvereinbarungen identifizieren. In diesem<br />
Zusammenhang sind soziale Werte wie etwa die Lohn- und Sozialbedingungen <strong>der</strong><br />
Buschauffeure zu nennen. Sie sind im Wertesystem <strong>der</strong> politischen Aufgabenträgerebene<br />
unter an<strong>der</strong>em aufgrund strategischer Überlegungen im Sinne des angestrebten<br />
politischen Erfolgs vertreten. Würden soziale Werte bei <strong>der</strong> Entscheidung zugunsten<br />
von Ausschreibungswettbewerb und letztlich beim Vergabeentscheid selber nicht ausreichend<br />
berücksichtigt werden, so böte man den Kritikern entsprechen<strong>der</strong> Vergabeverfahren<br />
eine Angriffsfläche.