Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen
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Erfüllung von Erwartungen wie<strong>der</strong>um beeinflusse das ʻÖV-Zeugnisʼ stärker negativ<br />
als eine Erwartungserfüllung sich positiv auswirke. Diese Annahme wird gestützt<br />
durch die Erkenntnisse von Kahneman & Tversky (1979; 1984), die im Zusammenhang<br />
mit ihren Forschungen zum Entscheidungsverhalten unter Unsicherheit unter an<strong>der</strong>em<br />
zu dem Schluss kommen, dass Menschen Verluste (hier: erwartungsuntererfüllte,<br />
ʻverloreneʼ Qualität) stärker bewerten als Gewinne (hier: erwartungsübererfüllte,<br />
ʻgewonneneʼ Qualität).<br />
Verstärkt werde dieser Aspekt teilweise durch die Medien und ihre Berichterstattung<br />
in Bezug auf den ÖV, die nicht o<strong>der</strong> nur selten über die grundsätzlich hohe Qualität im<br />
ÖV berichte, ihren Fokus dagegen auf einzelne negative Vorkommnisse setze und damit<br />
die Wahrnehmung des ÖV in <strong>der</strong> Bevölkerung negativ beeinflusse.<br />
„Natürlich wird fünf Tage darüber berichtet, dass einzelne Fahrten eines neuen Busbetreibers<br />
in <strong>der</strong> Phase seiner Betriebsaufnahme unpünktlich waren. So, und daran wird sich dann hochgezogen<br />
und die Qualität generell in Frage gestellt. Dass es sich dabei nur um wenige Einzelfälle<br />
handelt, die nur temporär auftreten und dass die an<strong>der</strong>en Busse des gleichen Betreibers<br />
täglich pünktlich und sicher fahren, darüber berichtet natürlich niemand. Und darüber, dass<br />
die Busse nach dem Betreiberwechsel öfter fahren und dass neue, mo<strong>der</strong>ne Busse eingesetzt<br />
werden, auch nicht.“ (Interview Case B: pol. AT 2009)<br />
Für die politischen Aufgabenträger hat das zur Konsequenz, dass die Sicherstellung<br />
einer grundsätzlich hohen Qualität im Regionalverkehr nur eine notwendige Bedingung<br />
für ihren politischen Erfolg darstellt. Die hinreichende Bedingung besteht darin,<br />
größere – wenn auch nur vereinzelte – Qualitätsausreißer im negativen Sinne als politisches<br />
Risiko zu vermeiden.<br />
An<strong>der</strong>s formuliert, folgt aus <strong>der</strong> politischen Rationalität auf <strong>der</strong> abstrakten Meta-<br />
Ebene eine politische ÖV-spezifische Rationalität, <strong>der</strong>en Kernlogik darin besteht, die<br />
Handlungen und Entscheidungen an dem damit verbundenen politischen Risiko auszurichten.<br />
Politisch rational ist eine Entscheidung, wenn sie das politische Risiko möglichst<br />
minimiert. Voraussetzung für den politischen Erfolg ist in diesem Zusammenhang<br />
jedoch, dass die eigenen, auf <strong>der</strong> politischen ÖV-spezifischen Rationalität basierenden<br />
rationalen Handlungen und Entscheidungen letztlich auch maßgeblich sind, das<br />
heißt umgesetzt und nicht durch ʻirrationaleʼ Handlungen überlagert o<strong>der</strong> ersetzt werden,<br />
die auf <strong>der</strong> ÖV-Rationalität <strong>der</strong> Verwaltung basieren. Ein weiterer wesentlicher<br />
Bestandteil <strong>der</strong> politischen Rationalität im Regionalverkehr ist deshalb ein Rollenverständnis,<br />
demgemäß die strategischen und bevölkerungsrelevanten Entscheidungen<br />
letztlich immer auf <strong>der</strong> politischen Aufgabenträgerebene getroffen werden müssen.