Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen
Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen
Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Error! Use the Home tab to apply Überschrift 1 to the text that you want to appear here. 31<br />
nur geringe und vor allem keine nachhaltigen Interessendifferenzen bestehen, eher eine<br />
untergeordnete Rolle. Fundamentale Regeln werden hier nicht in dem gleichen Maße<br />
benötigt wie im Falle <strong>der</strong> Interessenkonflikte. Mit zunehmen<strong>der</strong> Integration eines<br />
sozialen Systems sinkt die entsprechende Bedeutung des Legalismus und <strong>der</strong> fundamentalen<br />
Regeln für dieses System (Diesing 1962).<br />
In Bezug auf die funktionale legale Rationalität, also die Ebene des Systems, geht es<br />
um die Rationalität <strong>der</strong> fundamentalen Regeln einer Gesellschaft an sich. Diesing bezeichnet<br />
sie als funktional rational, wenn sie in <strong>der</strong> Lage sind, Konflikten effektiv vorzubeugen<br />
beziehungsweise effektive Lösungen für entstandene Konflikte bereitzustellen<br />
(Diesing 1962). Um diesen Anspruch zu erfüllen, sollte eine legale Ordnung konsistent,<br />
ausreichend komplex und detailliert ausgestaltet sowie präzise formuliert sein.<br />
Der Wert, <strong>der</strong> von einer funktional rationalen legalen Ordnung geschaffen wird, ist<br />
legale Gerechtigkeit im Sinne des jeweils gültigen Wertesystems.<br />
Im Hinblick auf die substantielle legale Rationalität eines nicht rechtsprechenden, richterlichen<br />
Akteurs (juristische Rationalität) bleibt Diesing vage. Aus seinen Ausführungen<br />
zur legalen Rationalität im Allgemeinen und zur juristischen richterlichen Rationalität<br />
im Beson<strong>der</strong>en lassen sich jedoch entsprechende Hinweise ableiten. Substantielle<br />
legale Rationalität ist gekennzeichnet durch eine konsequente Orientierung des eigenen<br />
Entscheidens sowie durch eine konsequente Bewertung des Handelns an<strong>der</strong>er Personen<br />
anhand <strong>der</strong> fundamentalen Regeln einer Gesellschaft. Nicht die Integration sozialer<br />
Beziehungen, nicht die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> technischen o<strong>der</strong> ökonomischen Effizienz<br />
bilden die Rahmenbedingungen für die legale Rationalität, son<strong>der</strong>n die gesetzliche<br />
Ordnung sowie die moralischen Grundprinzipien einer Gesellschaft. Eine Entscheidung<br />
ist substantiell legal rational, solange sie nur an den von Gesetz und Moral gesetzten<br />
Maßstäben ausgerichtet ist. Substantielle legale Rationalität baut demnach auf<br />
<strong>der</strong> funktionalen legalen Rationalität auf, indem sie eine legale Ordnung als Orientierungsmaßstab<br />
benötigt. Allerdings ist funktionale legale Rationalität nicht die Voraussetzung<br />
für substantielle legale Rationalität, denn eine Entscheidung kann sich konsequent<br />
auch an einer nicht effektiven legalen Ordnung ausrichten.<br />
2.3.2.5 Politische Rationalität<br />
Die politische Rationalität beschreibt Diesing als „rationality of decision-making<br />
structures. I call this type of rationality ‘political’ because politics is concerned with<br />
decisions and how they are made” (Diesing 1962: 170). Dabei geht es in seinen<br />
Ausführungen zunächst um die Effektivität <strong>der</strong> Entscheidungsstrukturen, das heißt um<br />
die rationale Ausgestaltung, den rationalen Erhalt und die rationale Weiterentwicklung