Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen

Error! Use the Home tab to apply Überschrift 1 to the text that you want to appear here. 117
„Als Bus- oder Bahnkunde denkt man nicht daran, was wir als Besteller an Abgeltungen zahlen
oder an die Effizienz der Unternehmen. Das spielt für die keine Rolle, das merken die doch
gar nicht.“ (Interview Case B, pol. AT 2009)
Trotzdem stellen eine effiziente Leistungserstellung der Busunternehmen und ein
möglichst gutes Verhältnis aus öffentlichen Abgeltungen und erbrachten Leistungen
durch die Betreiber explizit den zweiten maßgeblichen Aspekt im Wertesystem dar.
„Der Regionalverkehr ist ja nicht selbst kostentragend, sondern wir müssen Steuergelder dafür
einsetzen. Und von daher sehe ich es als meine Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass wir mit
diesem Geld verantwortungsvoll umgehen. Auch wenn das normalerweise nur die Fachleute
wahrnehmen oder – wie im Falle unserer Ausschreibung – ich dafür in der entsprechenden
Region teilweise stark kritisiert wurde.“ (Interview Case B, pol. AT 2009)
Daraus resultiert die Norm, die Vergaben der Angebotsvereinbarungen, unter Berücksichtigung
eines weiterhin hohen funktionalen Qualitätsniveaus, auf eine Verbesserung
der Effizienz im regionalen Busverkehr auszurichten – proaktiv und ohne entsprechenden
externen beziehungsweise öffentlichen Druck. Ausschreibungen stellen für
den politischen Aufgabenträger in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit dar, dieses
Ziel zu erreichen. Zum einen erfolgt dies im direkten Sinn, das heißt über das Einholen
konkurrierender Offerten und die anschließende Auswahl des günstigsten Anbieters,
wobei das vorgegebene Qualitätsniveau berücksichtigt wird. Zum anderen geschieht es
im indirekten Sinn, das heißt
„als klares Signal, sozusagen als Damoklesschwert für die Betreiber. Die Leute sollen wissen,
dass wir ihre Zahlen genau überprüfen, dass sie irgendwo in einer bestimmten Bandbreite liegen
sollten und dass wir willens sind, gegebenenfalls auszuschreiben.“ (Interview Case B, pol.
AT 2009)
Vor diesem Hintergrund stellt die konkrete Entscheidung zur Ausschreibung des regionalen
Busnetzes der politischen Aufgabenträgerebene keine extern erzwungene, sondern
vielmehr eine bewusste Entscheidung dar, um die Effizienz im regionalen Busverkehr
auf diese Weise direkt und indirekt nachhaltig steigern zu können.
„Ich hätte es mir damals doch leicht machen können. Es gab außer mir ungefähr drei Leute,
die wussten, dass hier etwas nicht stimmt mit den Preisen. Alle drei enge Mitarbeiter aus meinem
Departement. Ich hätte ja sagen können, das ist vertretbar, dann hätte ich diesen ganzen
Riesenstreit nicht gehabt. Aber ich musste so entscheiden, es waren ziemlich viele Steuergelder.
Das heißt, ich habe aufgrund des finanziellen Kontextes entschieden. Und ich würde heute
in einer ähnlichen Situation wieder so entscheiden.“ (Interview Case B, pol. AT 2009)
Im Rahmen der Ausführungen zur Fallstudie A wurde die Bedeutung des Strebens
nach politischem Erfolg und, damit verbunden, die Bedeutung der Einschätzung der
Wahlbevölkerung für die Werte und Normen des politischen Aufgabenträgers angesprochen.
Auch wenn sich politisches Kalkül im Zusammenhang mit den Vergaben
der Angebotsvereinbarungen bei Case B auf den ersten Blick nicht so deutlich zeigt
wie bei den anderen Cases, waren die entsprechenden Entscheide der politischen Aufgabenträgerebene
dennoch nicht frei davon. Zwar ging man davon aus, dass mit Aus-