Multiple Rationalitäten der kantonalen ... - Universität St.Gallen

Error! Use the Home tab to apply Überschrift 1 to the text that you want to appear here. 15
Teil I
Theoretische und institutionelle Grundlagen
2 Rationalität
2.1 Der Begriff ʻRationalitätʼ in der Literatur
In den Sozialwissenschaften besteht keine Einigkeit über den Begriff ‘Rationalität’:
„Few if any concepts employed in social sciences are fraught with so many difficulties
as is the concept ‘rationality’. It is used in a bewildering variety of ways, each
of which seems to involve its own plethora of philosophical, psychological, and
sociological problems.” (Udy 1962: 299) Vielmehr existieren unterschiedlich weit
gefasste Auffassungen darüber, was unter Rationalität zu verstehen sei. Ventriss
(2002: 287) stellt fest: „The concept of rationality can easily be regarded as one of the
most vexing (and debated) issues still continuing in the social science literature today.“
Es fällt auf, dass nur wenige Autoren ihre konkrete Auffassung von dem von ihnen
verwendeten Begriff ‘Rationalität’ darlegen beziehungsweise diesen definieren. Der
Grund dafür ist allerdings weniger darin zu sehen, dass sie keine konkrete Vorstellung
von Rationalität haben, als vielmehr darin, dass die entsprechende Definition jeweils
als gegeben vorausgesetzt wird. So stellt Diesing (1962: 1) fest: „In many social
theories rationality is defined as identical with efficiency.” Er fährt fort: „Similarly, in
organization theory the ‘rationalizing’ of an organization is taken to mean the increase
of its productive efficiency. A rational organization is an efficient one, and other
principles or models of organization are thought to be nonrational or irrational.”
Rationalität wird demnach als eng gefasstes und wertendes Konzept definiert und
durch ihren Fokus auf (optimale) Zweck-Mittel-Relationen letztlich synonym zu
Effizienz verwendet. Diesing bezeichnet Rationalität in einem entsprechenden
Verständnis sodann auch als formale oder „technische Rationalität“ (Diesing 1962: 1).
Hinter dem engen Konzept von Rationalität stehen die Annahmen des ʻeconomic manʼ
oder ʻhomo oeconomicusʼ. Pfiffner (1960: 126) bezeichnet entsprechende Definitionen
von Rationalität als ʻorthodox concepts of rationalityʼ. Er schreibt weiter: „Rational
decision-making is thought of as the gathering of all pertinent facts, canvassing the
alternatives for action, and selecting the one which will produce maximum results
through a thought process which physiology associates with the cerebrum. It is seen as
a coldy calculating process which excludes human sympathy and sentiment.”