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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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Lieblingskandidat ist jedoch Woodrow Murphy aus Pepperell, Massachusetts,<br />

der 1995 die Wanderung an einem Stück unternahm. Er hätte auch so<br />

meine Sympathie gehabt, schon weil er Woodrow heißt, aber ich bewunderte<br />

ihn um so mehr, als ich las, daß er 160 Kilo wog und sich auf den Weg<br />

machte, um Gewicht zu verlieren. In der ersten Woche schaffte er ein Tagespensum<br />

von acht Kilometern, aber er hielt durch, und im August, als er<br />

wieder zu Hause ankam, hatte er seine Tagesleistung auf 19 Kilometer gesteigert.<br />

Er hatte 24 Kilo abgenommen – nicht gerade viel bei dem Gesamtgewicht<br />

-und wollte im Jahr darauf die Wanderung wiederholen.<br />

Erstaunlich viele Weitwanderer kommen in Katahdin an, machen auf der<br />

Stelle kehrt und gehen den ganzen Weg nach Georgia noch mal zurück. Sie<br />

können einfach nicht aufhören <strong>mit</strong> dem Wandern, was einen dann doch<br />

stutzig macht. Es ist sogar so, daß man gar nicht mehr aus dem Staunen<br />

herauskommt, wenn man mehr über diese Weitwanderer liest. Nehmen wir<br />

zum Beispiel <strong>Bill</strong> Irwin, den Blinden. Nach seinem Abenteuer meinte er:<br />

»Das Wandern an sich hat mir keinen Spaß gemacht. Ich fühlte mich eher<br />

dazu gezwungen. Ich mußte es tun. Ich hatte keine andere Wahl.« Oder<br />

David Horton, der Extremläufer, der 1991 den Geschwindigkeitsrekord<br />

aufstellte: Nach eigener Darstellung war er am Ende »ein geistiges und<br />

körperliches Wrack«, und während der Durchquerung von Maine hat er die<br />

meiste Zeit über furchtbar geweint. Da fragt man sich doch: Warum tun sich<br />

die Leute das an? Selbst Earl Shaffer fristete später sein Leben als Einsied-<br />

ler in den abgelegenen Wäldern von Pennsylvania. Ich will da<strong>mit</strong> nicht<br />

sagen, daß der Appalachian Trail einen verrückt macht, nur, daß man für<br />

diese Wanderung irgendwie veranlagt sein muß.<br />

Welche Schamgefühle mich plagten, als ich meinen Ehrgeiz aufgab, die<br />

ganze Strecke zu gehen – wenn doch eine Oma in Turnschuhen, ein wandelnder<br />

Wasserball namens Woodrow und über 3.990 andere es bis Katahdin<br />

geschafft hatten? Keine. Ich würde ja immer noch den Appalachian<br />

Trail entlangwandern, nur nicht mehr jeden Meter. Kaum zu glauben, aber<br />

Katz und ich hatten bereits eine halbe Million Schritte getan. Es schien<br />

nicht unbedingt notwendig, auch noch die restlichen viereinhalb Millionen<br />

zu tun, um einen Eindruck von der Sache zu kriegen.<br />

Wir ließen uns also von dem witzigen Taxifahrer nach Knoxville bringen,<br />

mieteten uns am Flughafen einen Wagen und befanden uns schon am frühen<br />

Nach<strong>mit</strong>tag auf dem Weg Richtung Norden, auf einer Ausfallstraße, die uns<br />

durch eine Welt führte, die wir beinahe vergessen hatten: befahrene Straßen,<br />

Ampelanlagen, riesige Kreuzungen, überdimensionale Verkehrsschilder,<br />

landverschlingende Einkaufszentren, Tankstellen, <strong>Bill</strong>igkaufhäuser, Auspuffwerkstätten,<br />

Parkplätze und was sonst noch alles dazu gehört. Selbst<br />

nach einem Tag in Gatlinburg war der Kulturschock überwältigend. Ich

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