Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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Wissenschaftler aus den Städten in die Berge und waren entsetzt über das,<br />
was sie dort vorfanden. Armut und Entbehrungen waren allgegenwärtig.<br />
Der Boden war äußerst karg. Viele Bauern bewirtschafteten Steilhänge, die<br />
fast senkrecht waren. Dreiviertel der Bergbewohner konnten nicht lesen.<br />
Die meisten waren kaum je zur Schule gegangen. 90 Prozent der Kinder<br />
waren unehelich. Hygiene war ein Fremdwort, nur zehn Prozent der Haushalte<br />
verfügten über einen pri<strong>mit</strong>iven Außenabort.<br />
Hinzu kam, daß die Blue Ridge Mountains von sensationeller Schönheit<br />
waren und für eine neue Klasse motorisierter Touristen bequem erreichbar.<br />
Die naheliegende Lösung war, die Menschen aus den Bergregionen in die<br />
Täler umzusiedeln, wo sie ruhig weiter arm bleiben durften, und oben eine<br />
malerische Straße zu bauen, auf der man sonntags spazierenfahren konnte,<br />
und das Ganze in einen Gipfelrummel zu verwandeln, <strong>mit</strong> kommerziell<br />
betriebenen Campingplätzen, <strong>mit</strong> Restaurants, Eisdielen, Minigolf und<br />
wo<strong>mit</strong> sonst noch leicht Geld zu verdienen war.<br />
Die Geschäftsleute hatten aber ebenfalls Pech, denn die Wirtschaftskrise<br />
setzte ein, und die kommerziellen Interessen traten in den Hintergrund. Statt<br />
dessen rückte unter der Präsidentschaft von Frankhn Roosevelt ein konfuser<br />
sozialistischer Gedanke in den Vordergrund, und der Staat kaufte das Land.<br />
Die verbliebenen Bewohner wurden evakuiert, und das Civilian Conservation<br />
Corps machte sich an den Bau hübscher Steinbrücken, <strong>Picknick</strong>areale,<br />
Besucherzentren und diverser anderer Einrichtungen. Alles zusammen wurde<br />
im Juli 1936 der Öffentlichkeit übergeben. Es ist im wesentlichen die<br />
handwerkliche Qualität, die den Ruhm des Shenandoah National Park begründet.<br />
Der Park ist ein Meisterwerk gemeinsamer menschlicher Anstrengung,<br />
eines der wenigen Beispiele für großangelegte Bauprojekte – der<br />
Hoover-Damm ist ein weiteres Beispiel, und Mount Rushmore, würde ich<br />
sagen, ein drittes –, die sich in die natürliche Landschaft einfügen, sie eigentlich<br />
erst richtig zur Geltung bringen. Ich glaube, das ist einer der Gründe,<br />
warum ich so gern den Skylme Drive entlangging, <strong>mit</strong> seinen breiten<br />
Grasstreifen und den Befestigungsmauern aus Stein, den kunstvoll angelegten<br />
Birkenhainen und den sanft geschwungenen Kurven, die zu atemberaubenden,<br />
klug in Szene gesetzten Panoramablicken führen. In dem Stil<br />
sollten alle Highways sein, und eine Zeitlang sah es auch tatsächlich danach<br />
aus. Es ist kein Zufall, daß die ersten Highways in Amerika Parkways hießen.<br />
Als solche waren sie konzipiert – Parkanlagen, durch die man hindurchfahren<br />
konnte.<br />
Von dieser handwerklichen Tradition ist auf dem Appalachian Trau im Park<br />
nichts zu spüren – vielleicht wäre das für einen Wanderweg, der sich der<br />
Wildnis verschrieben hat, auch zuviel verlangt –, aber man begegnet ihr<br />
angenehmerweise in den Schutzhütten, die etwas von dem charmanten