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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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weg, als sie angegriffen wurden.<br />

Eight Bullets, Brenners Bericht über den Mord an ihrer Freundin, las ich in<br />

einer Nacht durch, mir waren also die Umstände im großen und ganzen<br />

bekannt, aber ich ließ das Buch absichtlich im Auto liegen, weil es mir<br />

irgendwie ein bißchen morbid vorkam, knapp zehn Jahre danach den genauen<br />

Ort des Geschehens zu suchen. Ich war durch die Lektüre nicht im<br />

geringsten in Angst versetzt worden, aber ich spürte dennoch ein leichtes<br />

Unbehagen, so ganz allein im stillen Wald, weit weg von zu Hause. Katz<br />

fehlte mir, sein Stöhnen und Schimpfen, seine durch nichts zu erschütternde<br />

Unerschrockenheit, und mir mißfiel der Gedanke, daß ich warten könnte,<br />

bis ich schwarz würde, wenn ich mich auf dem nächsten Stein niederlassen<br />

würde, da<strong>mit</strong> er aufholen konnte: Katz würde nicht kommen. Der Wald<br />

stand jetzt in seiner ganzen chlorophyllgeschwängerten Pracht, was ihn<br />

noch bedrückender und geheimnisvoller machte. Häufig konnte man keinen<br />

Meter weit durch das dichte Laubwerk zu beiden Seiten des Wegs sehen.<br />

Wenn mir jetzt zufällig ein Bär entgegengekommen wäre, hätte ich ziemlich<br />

dumm dagestanden. Und es wäre auch kein Katz nach einer Minute zur<br />

Stelle gewesen, um dem Tier die Fresse zu polieren und zu mir zu sagen:<br />

»Meine Güte, <strong>Bryson</strong>, kannst du nicht selbst auf dich aufpassen?« Es würde<br />

überhaupt niemand vorbeikommen, an dem man sich abreagieren konnte.<br />

Wahrscheinlich gab es im Umkreis von 80 Kilometern keinen einzigen<br />

Menschen außer mir. Ich stapfte weiter, von leichter Unruhe ergriffen und<br />

kam mir vor wie jemand, der zu weit aufs Meer hinausgeschwommen ist.<br />

Es waren 5,6 Kilometer bis zum Gipfel des Piney Mountain. Oben angekommen,<br />

stand ich unschlüssig herum. Ich konnte mich nicht entscheiden,<br />

ob ich noch ein Stück weitergehen oder umkehren und einen anderen Weg<br />

probieren sollte. Es lag eine gewisse Hilflosigkeit und entmutigende Sinnlosigkeit<br />

in allem, was ich tat. Ich wußte längst, daß ich nicht den gesamten<br />

AT schaffen würde, aber erst jetzt dämmerte es mir, wie läppisch und aussichtslos<br />

es war, sich die Strecke häppchenweise vorzunehmen. Es war im<br />

Grunde egal, ob ich fünf, zehn oder 15 Kilometer weit ging. Wenn ich 15<br />

Kilometer ging statt, sagen wir zehn - was hätte ich dabei gewonnen? Ganz<br />

sicher keinen Ausblick, keine Erfahrung, kein Erlebnis, das ich nicht bereits<br />

tausendfach gehabt hatte. Das ist das Problem beim AT – er ist ein weiter,<br />

unvorstellbar langer Weg, und es gab immer mehr, unendlich viel mehr<br />

Wegstrecke, als ich bewältigen konnte. Nicht, daß ich aufhören wollte. Im<br />

Gegenteil. Ich ging gern, ich war scharf aufs Gehen. Ich wollte nur wissen,<br />

was ich hier draußen eigentlich zu suchen hatte.<br />

Während ich unentschlossen herumstand, hörte ich plötzlich ein trockenes<br />

Knacken in den Zweigen, wie eine unbedachte Bewegung im Unterholz,<br />

ungefähr 15 Meter von mir entfernt im Wald – es mußte ein ziemlich großes

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