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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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gehabt – schätzungsweise 25 Prozent mehr. Es ging mir erst jetzt auf, daß<br />

meine Gleichgültigkeit gegenüber meiner Umgebung vorher schlicht und<br />

ergreifend daher rührte, daß ich nicht wußte, wo ich mich befand, gar nicht<br />

in der Lage war, es zu wissen. Jetzt konnte ich mich wenigstens orientieren,<br />

den Weg erahnen, in Kontakt treten <strong>mit</strong> einer sich verändernden und erfahrbaren<br />

Landschaft.<br />

Und so wanderte ich acht höchst angenehme Kilometer den Kittatinny hinauf<br />

zum Sunfish Pond, einem sehr hübschen, 16 Hektar großen See, umgeben<br />

von Wald. Unterwegs traf ich nur zwei andere Wanderer – beide waren<br />

Tagestouristen –, und wieder dachte ich mir, was für eine maßlose Übertreibung<br />

es ist zu sagen, der Appalachian Trail sei überlaufen. 30 Millionen<br />

Menschen leben im Umkreis von zwei Autostunden von Water Gap -New<br />

York liegt 110 Kilometer östlich, Philadelphia ein Stück weiter südlich –,<br />

und es war ein makelloser Sommertag. Der Wald in seiner majestätischen<br />

Schönheit gehörte trotzdem nur uns Dreien.<br />

Für den Trail-Wanderer Richtung Norden ist Sunfish Pond eine echte Neuheit,<br />

denn südlich von hier findet man keinen Bergsee in dieser Höhe. Tatsächlich<br />

ist er das erste glaziale Merkmal: Bis hierher reichte während der<br />

letzten Eiszeit die Eisdecke. Der weiteste Vorstoß in New Jersey liegt ungefähr<br />

16 Kilometer südlich von Water Gap, aber selbst hier, wo das Klima<br />

ein weiteres Vorrücken verhinderte, war die Eisdecke immer noch 600 Meter<br />

dick gewesen.<br />

Das muß man sich mal vorstellen – eine Wand aus Eis, über einen halben<br />

Kilometer hoch, und dahinter Zehntausende Quadratkilometer noch mehr<br />

Eis, lediglich durchbrochen von den Gipfeln der höchsten Berge. Wir vergessen<br />

meist, daß wir uns heute immer noch in einer Eiszeit befinden, bloß<br />

erleben wir sie hautnah nur während eines Teils des Jahres. Schnee, Eis und<br />

Kälte sind keine typischen Merkmale der Erde. Langfristig gesehen, ist die<br />

Antarktis eigentlich ein Dschungel. (Er hat nur gerade eine leichte Erkältung.)<br />

Auf dem Höhepunkt der Eiszeit, vor 20.000 Jahren, lag ein Drittel der<br />

Erde unter Eis, heute sind es immer noch zehn Prozent. In den letzten zwei<br />

Millionen Jahren hat es bestimmt ein Dutzend Eiszeiten gegeben, von denen<br />

jede etwa 100.000 Jahre dauerte. Die jüngste Intrusion, die Wisconsin-Eisdecke,<br />

erstreckte sich von den Polarregionen über weite Teile Europas und<br />

Nordamerikas, erreichte eine Dicke von bis zu 3.000 Meter und rückte <strong>mit</strong><br />

einer Geschwindigkeit von 120 Meter pro Jahr vor. Der Meeresspiegel sank<br />

um 140 Meter, da die Decke alle freien Wasserreservoirs der Erde in sich<br />

aufsaugte. Dann, vor 10.000 Jahren, fing die Decke an zu schmelzen und<br />

sich zurückzuziehen, nicht über Nacht, aber allmählich. Man hat bis heute<br />

keine Erklärung dafür. Sie hinterließ eine völlig umgestaltete Landschaft,<br />

schüttete Long Island, Cape Cod, Nantucket und den größten Teil von

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