Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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uns beiden. Es war augenscheinlich, daß sie trotz ihres ganzen aufgeblasenen<br />
Getues absolut unerfahren und wanderuntauglich war – zum Beispiel<br />
hatte sie nicht den leisesten Schimmer, wie man eine Karte las – und sich<br />
allein in der Wildnis nicht wohl fühlte. Irgendwie tat sie mir sogar ein bißchen<br />
leid, und außerdem fand ich sie allmählich auf komische Weise unterhaltsam.<br />
Sie hatte eine ungewöhnlich redundante Art, sich auszudrücken.<br />
Sie sagte zum Beispiel Sätze wie diesen: »Da drüben ist ein Wasserfluß«,<br />
oder »Wir haben jetzt zehn Uhr morgens.« Einmal, es ging um den Winter<br />
in Florida, informierte sie mich völlig ernstgemeint: »Normalerweise haben<br />
wir im Winter ein- bis zweimal Frost, aber dieses Jahr schon zweimal.«<br />
Katz litt unter ihrer Gesellschaft und stöhnte, weil sie ihn andauernd bedrängte,<br />
einen Schritt schneller zu gehen.<br />
Endlich einmal war das Wetter freundlich – eher herbstlich als frühlingshaft,<br />
aber dafür erfreulich mild. Um zehn lag die Temperatur bei angenehmen<br />
20 Grad. Zum ersten Mal seit Amicalola zog ich meine Jacke aus, und<br />
sofort bemerkte ich <strong>mit</strong> schwachem Erstaunen, daß ich keinen Platz hatte,<br />
um sie zu verstauen. Schließlich band ich sie <strong>mit</strong> einem Gurt am Rucksack<br />
fest und stapfte weiter.<br />
Es ging 6,5 Kilometer bergauf, über den Blood Mountam, <strong>mit</strong> 1.359 Meter<br />
die höchste und schwierigste Erhebung auf dem Wegabschnitt in Georgia,<br />
danach folgte ein steiler Abstieg über drei Kilometer bis Neels Gap, der für<br />
Aufregung sorgte. Aufregung deswegen, weil sich in Neels Gap ein Laden<br />
befand, genauer gesagt, befand sich der Laden in einem Lokal, das sich<br />
Walasi-Yi Inn nannte und in dem man Sandwiches und Eiscreme kaufen<br />
konnte. Um halb eins etwa vernahmen wir ein neues Geräusch, Autoverkehr,<br />
und wenige Minuten später tauchten wir aus dem Wald auf, und vor<br />
uns lag der U.S. Highway 19 beziehungsweise 129, eigentlich nur eine<br />
kleine Straße über einen hohen Paß <strong>mit</strong>ten im bewaldeten Nirgendwo, obwohl<br />
sie zwei Nummern hat. Direkt gegenüber lag das Walasi-Yi Inn, ein<br />
beeindruckendes Gebäude aus Stein, das das Civilian Conservation Corps,<br />
eine Art Armee der Arbeitslosen, während der Zeit der Depression errichtet<br />
hatte und das heute eine Mischung aus Expeditionsausstatter, Lebens<strong>mit</strong>telgeschäft,<br />
Buchhandlung und Jugendherberge ist. Wir liefen über die Straße,<br />
rannten regelrecht hinüber und gingen hinein.<br />
Es mag unglaubwürdig klingen, wenn ich sage, daß eine geteerte Straße,<br />
rauschender Autoverkehr und ein richtiges Haus nach fünf Tagen in der<br />
Waldeinsamkeit für Aufregung sorgen können und ungewohnt erscheinen,<br />
aber es war tatsächlich so. Allein durch eine Tür zu gehen, in einem Raum<br />
zu sein, umgeben von vier Wänden und einer Decke, war ein neues Gefühl.<br />
Und das Walasi-Yi Inn war wunderbar – ich weiß gar nicht, wo ich an-<br />
fangen soll. Es gab einen einzigen, kleinen Kühlschrank, der vollgestopft