Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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abgestorbener Bäume. Libellen tanzten auf der Wasseroberfläche. Am anderen<br />
Ufer erhob sich ein gigantischer Koloß, der Moxie Bald Mountain, und<br />
wartete auf uns. Aber zunächst stellten wir <strong>mit</strong> großer Beunruhigung fest,<br />
daß der Weg am Rand des Sees abrupt endete. Katz und ich sahen uns an –<br />
hier konnte etwas nicht stimmen. Zum ersten Mal seit damals in Georgia<br />
fragten wir uns ernsthaft, ob wir uns verirrt hatten. (Wer weiß, wie sich<br />
Chicken John in so einer Situation verhalten hätte.) Wir gingen den gleichen<br />
Weg ein gutes Stück zurück, überprüften irritiert unsere Karte und unseren<br />
Trail-Führer, suchten nach einer Alternativroute um den See herum, durch<br />
das dichte, die Haut aufschürfende Unterholz, und gelangten schließlich zu<br />
der Erkenntnis, daß man offenbar von uns erwartete, daß wir den See<br />
durchquerten. Katz entdeckte auf der gegenüberliegenden Seite, knapp 80<br />
Meter entfernt, die Fortsetzung des Wegs und das typische weiße Wanderzeichen<br />
des Appalachian Trail. Wir mußten also durch das Wasser waten.<br />
Katz ging voraus, barfuß und in Boxershorts, nahm einen langen Stock zur<br />
Hilfe und stakte da<strong>mit</strong> durch das Gewirr von halb unter, halb über Wasser<br />
liegenden Baumstämmen. Ich folgte ihm in gebührendem Abstand auf die<br />
gleiche Weise und achtete darauf, daß ich <strong>mit</strong> meinem Gewicht nicht einen<br />
Baumstamm belastete, auf dem er gerade ging. Die Stämme waren <strong>mit</strong> einer<br />
dicken Moosschicht bedeckt und schnellten hoch oder drehten sich, wenn<br />
man auf sie trat. Zweimal wäre Katz beinahe gestürzt. Nach ungefähr 25<br />
Metern verlor er gänzlich den Halt und fiel platschend, <strong>mit</strong> rudernden Armen<br />
und lautem Wehgeschrei in das trübe Wasser. Er tauchte vollständig<br />
unter, tauchte auf, ging wieder unter und kam heftig strampelnd und <strong>mit</strong> den<br />
Armen fuchtelnd hoch, so daß ich im ersten Moment dachte, er würde ertrinken.<br />
Das Gewicht seines Rucksacks zog ihn nach hinten und hinderte<br />
ihn daran, sich aufzurichten oder wenigstens den Kopf über Wasser zu halten.<br />
Ich wollte gerade meinen eigenen Rucksack absetzen und mich in die<br />
Fluten stürzen und ihm zur Hilfe eilen, als Katz einen Baumstamm zu fassen<br />
bekam und sich an ihm in eine aufrechte Haltung hochzog. Das Wasser<br />
reichte ihm bis zur Brust. Er klammerte sich an den Baumstamm, keuchte<br />
schwer vor Anstrengung, wieder zu Atem zu kommen und sich zu beruhigen.<br />
Er hatte offenbar einen gehörigen Schrecken bekommen.<br />
»Geht es wieder?« fragte ich ihn.<br />
»Alles prima«, erwiderte er. »Alles prima. Ich frage mich nur, warum sie<br />
hier keine Krokodile ausgesetzt haben, dann wäre es wenigstens ein richtiger<br />
Abenteuerurlaub.«<br />
Ich kämpfte mich weiter vorwärts, aber nach wenigen Schritten fiel ich auch<br />
ins Wasser. Es gab ein paar Momente, da sah ich die Welt, surreal und wie<br />
in Zeitlupe, aus der ungewöhnlichen Perspektive eines Tauchers, während<br />
sich meine Hand verzweifelt nach einem Baumstamm ausstreckte, ihn aber