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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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und weiterästen. Vor 60 Jahren gab es in dieser Gegend der Blue Ridge<br />

Mountains keine Rehe. Sie waren durch die Jagd ausgerottet worden. Bei<br />

der Gründung des Parks 1936 setzte man 13 Weißwedelhirsche aus, und da<br />

kein Mensch und nur wenige Raubtiere Jagd auf sie machten, vermehrten<br />

sie sich rasch. Heute gibt es 5.000 Hirsche in dem Park, und alle stammen<br />

von den ersten 13 Tieren ab, oder von anderen, die aus der Umgebung dazustießen.<br />

Der Park ist reich an wildlebenden Tieren, wenn man bedenkt, wie bescheiden<br />

die Ausmaße sind und daß eigentlich kein richtiges Hinterland zur Verfügung<br />

steht. Rotluchse, Bären, Rot- und Graufüchse, Biber, Stinktiere,<br />

Waschbären, Flughörnchen und unsere Freunde, die Salamander, gibt es in<br />

großer Zahl, auch wenn man die Tiere nicht häufig zu Gesicht bekommt, da<br />

die meisten nachtaktiv oder menschenscheu sind. Shenandoah hat angeblich<br />

die größte Dichte an Schwarzbären auf der ganzen Welt – ein Bär auf etwa<br />

zweieinhalb Quadratkilometer. Es sollen auch Berglöwen gesichtet worden<br />

sein, darüber liegen Berichte vor, unter anderem von Parkrangern, die es<br />

eigentlich besser wissen müßten – denn den Berglöwen gibt es in den Wäldern<br />

im Osten der Vereinigten Staaten nachweislich seit über 70 Jahren<br />

nicht mehr. Es gibt sie höchstens noch in einigen Restgebieten der Wälder<br />

im hohen Norden – aber dazu später (Sie müssen sich noch etwas gedulden,<br />

doch ich denke, es lohnt sich) –, aber nicht in einem so schmalen und eingeengten<br />

Gebiet wie dem Shenandoah National Park.<br />

Wir bekamen nichts Exotisches zu Gesicht, nicht im entferntesten, aber es<br />

war ganz hübsch, auch mal ganz normale Eichhörnchen und Rehe zu sehen,<br />

das Gefühl zu haben, daß der Wald belebt ist. Am späten Nach<strong>mit</strong>tag kam<br />

ich an eine Kurve, hinter der ich einen Truthahn <strong>mit</strong> seinen Küken entdeckte,<br />

die vor mir den Pfad kreuzten. Die Mutter war prächtig und unerschütterlich,<br />

ihre Küken stolperten unentwegt und kamen wieder auf die Beinchen<br />

und waren viel zu sehr <strong>mit</strong> sich selbst beschäftigt, um mich zu bemerken.<br />

So sollte es in einem Wald zugehen. Meine Freude hätte nicht größer sein<br />

können.<br />

Wir wanderten bis fünf Uhr und campierten neben einem Bächlein auf einer<br />

kleinen, grasbewachsenen Lichtung zwischen Bäumen direkt neben dem<br />

Weg. Da es unser erster Tag nach der Pause war, hatten wir reichlich Vorrat,<br />

einschließlich verderblicher Ware wie Käse und Brot, die verspeist<br />

werden mußte, bevor sie schlecht oder in unseren Rucksäcken zu Krümeln<br />

zermalmt wurde. Wir schlemmten regelrecht, legten uns anschließend ins<br />

Gras, rauchten und plauderten, bis die vielen penetranten mückenartigen<br />

Tierchen – die unter AT-Wanderern allgemein nur die Unsichtbaren genannt<br />

werden, denn »man sieht sie nicht, man hört sie nur« – uns in die<br />

Zelte trieben. Es war bestes Wetter zum Schlafen, so kalt, daß man einen

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