Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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tergebracht, das gleichzeitig Haushaltswarenladen und Lebens<strong>mit</strong>telgeschäft<br />
war. Wir traten ein und stellten fest, daß alle Wanderer, denen wir auf den<br />
letzten 30 Kilometern begegnet waren, sich bereits eingefunden hatten; die<br />
meisten hockten um einen großen Holzofen herum, wärmten sich, aßen<br />
Chili oder leckten Eis, hatten rote Backen und sahen proper aus. Drei oder<br />
vier von ihnen kannten wir schon. Die Betreiber des Campingplatzes waren<br />
Buddy und Jensine Crossman, die einen angenehmen und freundlichen<br />
Eindruck machten, und wenn es nur daran lag, daß die Geschäfte im Monat<br />
März selten so gut liefen wie in diesem Jahr. Ich erkundigte mich nach einer<br />
Hütte.<br />
Jensine drückte ihre Zigarette aus und lachte über meine naive Frage, was<br />
gleich einen kleinen Hustenanfall bei ihr auslöste. »Die Hütten sind seit<br />
zwei Tagen ausgebucht, mein Lieber. In der Schlafbaracke sind noch zwei<br />
Plätze frei. Alle, die danach kommen, müssen auf dem Boden schlafen.«<br />
Schlafbaracke ist kein Wort, das man in meinem Alter besonders gern hört,<br />
aber uns blieb keine andere Wahl. Wir trugen uns ins Gästebuch ein, bekamen<br />
zwei sehr kleine, brettharte Handtücher und stapften über den Platz<br />
unserem Quartier entgegen, gespannt, was man für elf Dollar erwarten durfte.<br />
Die Antwort lautete: am besten gar nichts.<br />
Das Barackenlager war so spartanisch und häßlich, daß einem gruselte. Der<br />
Raum wurde beherrscht von zwölf schmalen Schlafkojen aus Holz, jeweils<br />
drei übereinander. Auf jeder Koje lag eine dünne, nackte Matratze und ein<br />
schmuddeliges, <strong>mit</strong> Schaumstoffschnipseln gefülltes Kissen ohne Bezug. In<br />
einer Ecke stand ein leise vor sich hin zischender Kanonenofen, von einem<br />
Halbkreis ausgelatschter Wanderschuhe umstellt und <strong>mit</strong> nassen Wollsokken<br />
behängt, von denen üble Dämpfe aufstiegen. Ein kleiner Holztisch und<br />
zwei kaputte Sessel, aus denen die Polsterung hervorquoll, vervollständigten<br />
das Mobiliar. Überall lagen Sachen herum – Zelte, Kleider, Rucksäcke,<br />
Regenhauben - zum Trocknen aufgehängt, träge tropfend. Der Boden war<br />
aus nacktem Beton, die Wände aus nicht isolierten Spanplatten. Es war das<br />
Gegenteil von einladend, etwa so, als würde man in einer Garage campen.<br />
»Willkommen im Gulag«, sagte ein Mann <strong>mit</strong> einem ironischen Grinsen<br />
und britischem Akzent. Er hieß Peter Fleming, war Dozent in New Brunswick<br />
und für eine Woche zum Wandern in den Süden gekommen, aber<br />
dann, wie wir alle, vom Schnee überrascht worden. Er stellte uns die anderen<br />
vor – jeder grüßte <strong>mit</strong> einem freundlichen, aber abwesenden Nicken –<br />
und deutete auf die beiden freien Betten, eins ganz oben, fast unter der Dekke,<br />
das andere ganz unten, am anderen Ende des Raums.<br />
»Rot-Kreuz-Päckchen werden jeden letzten Freitag im Monat ausgegeben,<br />
und heute abend um 19 Uhr trifft sich das Ausbruchsko<strong>mit</strong>ee zur Lagebesprechung.<br />
Mehr braucht ihr vorerst nicht zu wissen.«