Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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de langsam warm, aber die Straße war schattig und kaum befahren, drei Autos<br />
in einer Stunde, und so glich meine Wanderung einem gemütlichen<br />
Spaziergang, <strong>mit</strong> friedlichen Ausblicken über üppige Wiesen auf den Fluß.<br />
Nach amerikanischen Maßstäben ist der Delaware kein sonderlich beeindruckender<br />
Wasserlauf, aber ein Umstand ist charakteristisch für ihn. Es ist<br />
praktisch der letzte bedeutende Fluß in den Vereinigten Staaten, der nicht<br />
verbaut ist. Das mag manchen als ein unschätzbarer Gewinn erscheinen –<br />
ein Fluß, der so verläuft, wie die Natur ihn geschaffen hat. Eine Folge dieses<br />
unregulierten Verlaufs sind jedoch die regelmäßigen Überschwemmungen.<br />
1955 gab es eine Flut, die noch heute als »die große Flut« bezeichnet<br />
wird, wie Frank Dale in seinem ausgezeichneten Buch Delaware<br />
Diary feststellt. Im August – ironischerweise auf dem Höhepunkt einer der<br />
schlimmsten Dürreperioden seit Jahrzehnten – suchten nacheinander zwei<br />
Wirbelstürme den Bundesstaat North Carolina heim und brachten die Wetterverhältnisse<br />
an der gesamten Ostküste gehörig durcheinander. Der erste<br />
brachte in zwei Tagen 25 Zentimeter Niederschlag in die Region des Delaware<br />
River Valley Zwei Tage später gingen in weniger als 24 Stunden noch<br />
einmal 25 Zentimeter Regen in dem Tal nieder. In Camp Davis, einem<br />
Erholungsort, flüchteten 46 Menschen, meist Frauen und Kinder, vor den<br />
steigenden Wassermassen in das Hauptgebäude der Ferienanlage, zuerst ins<br />
Erdgeschoß, dann in den ersten Stock, und < schließlich auf den Dachboden.<br />
Doch es half nichts. Gegen Mitternacht rollte eine neun Meter hohe<br />
Flutwelle durch das Tal und riß das Gebäude <strong>mit</strong>. Erstaunlicherweise überlebten<br />
neun Menschen das Unglück.<br />
Brücken wurden weggefegt und Uferstädte überschwemmt, bevor der Tag<br />
zu Ende ging, war der Delaware River um 13 Meter gestiegen. Als der Pegelstand<br />
endlich fiel, waren 400 Menschen umgekommen und das gesamte<br />
Delaware Valley war verwüstet.<br />
Dann mischte sich das U.S. Army Corps of Engineers <strong>mit</strong> einem Plan in das<br />
schlammige Chaos, der den Bau eines Damms in Tocks Island vorsah, unweit<br />
der Stelle, an der ich mich gerade befand. Der Damm sollte nicht nur<br />
den Fluß zähmen, sondern es sollte auch ein neuer Nationalpark dabei entstehen,<br />
in dessen 3 Zentrum sich ein 65 Kilometer langer See für diverse<br />
Freizeitaktivitäten befinden sollte. 8.000 Anwohner wurden umgesiedelt.<br />
Das ganze Projekt war sehr unprofessionell vorbereitet. Einer der Vertriebenen<br />
war blind. Vielen Farmern wurde ihr Grund und Boden nur teilweise<br />
abgekauft, so daß manche zum Schluß <strong>mit</strong> Ackerland, aber ohne Haus –<br />
oder <strong>mit</strong> Haus, aber ohne Ackerland dastanden. Eine Frau, deren Familie<br />
dasselbe Stück Land seit dem 18. Jahrhundert bewirtschaftete, wehrte sich<br />
<strong>mit</strong> Händen und Füßen, als sie aus ihrem Haus getragen wurde – zur Freude<br />
der Zeitungsreporter und Fernsehteams.