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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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den Bücherkisten eines Trödelladens. Es gab natürlich nichts Interessantes<br />

außer den üblichen Readers-Digest-Heften und dann ganz obskure Titel,<br />

wie man sie nur in solchen Läden findet: Das große Buch der häuslichen<br />

Kanalisation, oder Nick <strong>mit</strong> dem Kopf, wenn du mich verstehst – Das Leben<br />

<strong>mit</strong> einem Debilen. Danach ging ich ein Stück spazieren, aus der Stadt heraus,<br />

um einen Blick auf Mount Greylock zu werfen, mein Ziel für den nächsten<br />

Tag. Greylock ist die höchste Erhebung in Massachusetts und für Wanderer,<br />

die in Richtung Norden gehen, der erste Berg nach Virginia, der über<br />

900 Meter hoch ist. Es sind nur l .064 Meter bis zum Gipfel, aber da er von<br />

vielen niedrigeren Bergen umgeben ist, sieht er sehr viel gewaltiger aus,<br />

jedenfalls besitzt er etwas Majestätisches, das einen anzieht. Ich freute mich<br />

auf ihn.<br />

Ich brach am nächsten Morgen früh auf, bevor die Mittagshitze Gelegenheit<br />

hatte, sich richtig auszubreiten – ein glühendheißer Tag war vorhergesagt<br />

worden –, machte noch kurz Station in der Stadt, um mir mein Mittagessen<br />

zu kaufen, etwas zu trinken und ein Sandwich, und begab mich dann auf<br />

einen Schotterweg zum Gould Trail, einem Nebenwanderweg, der steil<br />

bergauf zum AT und weiter zum Greylock führte.<br />

Mount Greylock ist <strong>mit</strong> Sicherheit der literarischste Berg der Appalachen.<br />

Herman Melville, der auf der Farm Arrowhead an seiner Westseite lebte,<br />

hatte ihn vom Fenster seines Arbeitszimmers aus im Blick, während er an<br />

seinem Roman Moby Dick schrieb, und seine Umrisse erinnerten ihn an<br />

einen Wal, jedenfalls behaupten das Maggie Stier und Ron McAdow in<br />

ihrem ausgezeichneten Buch Into the Mountains, einer Geschichte der<br />

Berggipfel New Englands. Als Melville <strong>mit</strong> seinem Roman fertig war, stieg<br />

er zusammen <strong>mit</strong> Freunden auf den Gipfel und feierte bis in die Morgenstunden.<br />

Nathaniel Hawthorne und Edith Wharton lebten und arbeiteten<br />

ebenfalls in der Nähe. Eigentlich gibt es zwischen 1850 und 1920 keine in<br />

irgendeiner Art und Weise <strong>mit</strong> New England verbundene literarische Gestalt,<br />

die den Berg nicht wenigstens einmal bestiegen hat oder hinaufgeritten<br />

ist, um die Aussicht zu genießen.<br />

Ironischerweise erfreute sich Greylock auf dem Höhepunkt seines Ruhms<br />

keineswegs der grünen Erhabenheit von heute. Seine Hänge waren krätzig<br />

von den Narben der Abholzung, und die Ausläufer entstellt von Schiefer-<br />

und Marmorhalden. Überall stachen windschiefe Schuppen und Sägewerke<br />

ins Auge. Das alles ist heute verheilt und überwachsen, doch dann wurden<br />

in den 60er Jahren <strong>mit</strong> Unterstützung bundesstaatlicher Behörden in Boston<br />

Pläne für die Erschließung des Greylock als Skigebiet erstellt, <strong>mit</strong> einer<br />

Seilbahn, einem Netz von Sesselliften und einem Gebäudekomplex auf dem<br />

Gipfel, zu dem ein Hotel, Läden und Restaurants gehören sollten – allesamt<br />

in dem schnittigen Jetson-Stil der Zeit. Zum Glück wurde aus diesen Plänen

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