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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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jetzt bald rum. Ich brauchte dringend Urlaub – den brauchten wir weiß Gott<br />

beide -und hatte eine unbeschreibliche Sehnsucht nach meiner Familie.<br />

Trotzdem freute ich mich auf das, was ich mir als einen Höhepunkt unseres<br />

Unternehmens erwartete. Der Shenandoah National Park – 162 Kilometer<br />

von einem Ende bis zum anderen -ist berühmt für seine Schönheit, und ich<br />

wollte mich endlich einmal <strong>mit</strong> eigenen Augen davon überzeugen. Wir<br />

hatten immerhin einen weiten Weg zurückgelegt, um hierher zu kommen.<br />

In Rockfish Gap befand sich ein <strong>mit</strong> Rangers besetztes Mauthäuschen, an<br />

dem Autofahrer Eintrittsgeld entrichten müssen; Wanderer brauchen sich<br />

nur eine Wandererlaubnis für das Gebiet zu besorgen. Die Bescheinigung<br />

ist kostenlos – eine der edelsten Traditionen des Appalachian Trail ist, daß<br />

alles umsonst ist –, aber man muß ein langes Formular ausfüllen, seine<br />

persönlichen Daten angeben, die geplante Route durch den Park, und wo<br />

man gedenkt jeden Abend zu kampieren (was ein bißchen absurd ist, weil<br />

man das Gelände noch nicht gesehen hat und nicht weiß, wie viele Kilometer<br />

man am Tag schaffen wird). An das Formular war ein Blatt <strong>mit</strong> den<br />

üblichen Vorschriften und Warnungen geheftet, Androhungen von schweren<br />

Strafen und sofortigem Verweis im Falle von – ach, eigentlich allem<br />

möglichem. Ich füllte das Formular so gut es ging aus und reichte es der<br />

Rangerin hinter dem Fensterchen.<br />

»Sie wollen also den Trail entlangwandern«, stellte sie unvermutet scharfsinnig<br />

fest, nahm das Formular entgegen, ohne einen Blick darauf zu werfen,<br />

stempelte es routinemäßig ab und riß den Durchschlag ab, der als Erlaubnis<br />

dafür diente, den Grund und Boden zu betreten, der uns, theoretisch<br />

jedenfalls, sowieso gehörte.<br />

»Wir wollen es zumindest versuchen«, sagte ich.<br />

»Irgendwann muß ich auch mal in die Berge. Ich habe gehört, es soll wirklich<br />

sehr schön sein.«<br />

Für einen Moment war ich fassungslos. »Sie sind den Trail noch nie gegangen?«<br />

Aber Sie sind doch ein Ranger, wollte ich ergänzen.<br />

»Nein, leider nicht«, erwiderte sie wehmütig. »Ich habe mein ganzes Leben<br />

hier verbracht, aber dazu bin ich noch nicht gekommen. Eines Tages wird es<br />

soweit sein.«<br />

Katz zerrte mich, aus Angst vor Beulahs Mann, praktisch hinter sich her,<br />

aber ich war neugierig geworden.<br />

»Wie lange sind Sie schon Ranger?« fragte ich sie.<br />

»Im August sind es zwölf Jahre«, sagte sie stolz.<br />

»Sie sollten es mal <strong>mit</strong> dem Wandern probieren. Es ist wirklich schön.«<br />

»Und Sie wären die Speckfalten an Ihrem Hintern los«, murmelte Katz in<br />

sich hinein und ging vor in den Wald. Ich sah ihm <strong>mit</strong> einiger Verwunderung<br />

hinterher. Diese Erbarmungslosigkeit sah Katz überhaupt nicht ähn-

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