06.12.2012 Aufrufe

Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schlafsack brauchte, aber warm genug, um in Unterwäsche zu schlafen. Ich<br />

hoffte auf eine lange, ausgiebige Nachtruhe und erfreute mich auch derselben,<br />

bis zu irgendeiner finsteren Stunde ein Geräusch in un<strong>mit</strong>telbarer Nähe<br />

zu hören war. Ich riß die Augen auf. Normalerweise kann mich nichts wekken,<br />

weder Donner noch Katz’ Schnarchen oder sein geräuschvolles <strong>mit</strong>ternächtliches<br />

Wasserlassen. Etwas so Lautes und Besonderes, daß ich davon<br />

aufwachte, mußte etwas höchst Ungewöhnliches sein. Man hörte, wie im<br />

Unterholz gewühlt wurde, das Knacken von Zweigen, offenbar ein schweres<br />

tapsiges Wesen, das sich durchs Laub schob, und dann ein lautes, leicht<br />

nervöses Schnüffeln.<br />

Ein Bär!<br />

Ich richtete mich kerzengerade auf. Jedes Neuron in meinem Gehirn war<br />

sofort hellwach und entfaltete hektische Betriebsamkeit, wie Ameisen,<br />

wenn man unversehens auf ihren Bau tritt. Ich wollte instinktiv nach meinem<br />

Messer greifen, aber dann fiel mir ein, daß ich es in meinem Rucksack<br />

gelassen hatte – draußen vor dem Zelt. An nächtliche Verteidigung hatten<br />

wir nach so vielen aufeinanderfolgenden Nächten beschaulicher Ruhe keinen<br />

Gedanken mehr verschwendet. Wieder hörte ich ein Geräusch, diesmal<br />

ganz nahe.<br />

»Stephen? Bist du wach?« flüsterte ich.<br />

»Ja«, antwortete er <strong>mit</strong> müder, unaufgeregter Stimme.<br />

»Was war das gerade?«<br />

»Woher soll ich das wissen?«<br />

»Hörte sich nach einem großen Tier an.«<br />

»Im Wald hört sich alles nach großen Tieren an.«<br />

Das stimmte. Einmal war ein Stinktier durch unser Nachtlager spaziert, und<br />

es hatte sich angehört wie ein Dinosaurier. Wieder war ein lautes Rascheln<br />

zu vernehmen, und dann ein schlabberndes Geräusch vom Bach her. Es<br />

trank Wasser, das unbekannte Wesen.<br />

Ich rutschte auf Knien zum Zelteingang, öffnete vorsichtig den Reißverschluß<br />

und steckte den Kopf hinaus. Es war pechschwarze Nacht. So leise<br />

ich konnte, holte ich meinen Rucksack ins Zelt und suchte im Schein der<br />

Taschenlampe nach meinem Messer. Als ich es gefunden und die Klinge<br />

aufgeklappt hatte, war ich entsetzt. Das Messer war viel zu klein, einfach<br />

lächerlich. Es war ein solides Besteckmesser, bestens geeignet, um Butter<br />

auf einen Pfannkuchen zu streichen, aber völlig ungeeignet, um einen wütenden<br />

Pelz von mehreren Zentnern Lebendgewicht abzuwehren. Vorsichtig<br />

kroch ich aus dem Zelt und schaltete die Taschenlampe ein, die ein erbärmliches<br />

Licht warf. Das Wesen in vier bis fünf Meter Entfernung schaute zu<br />

mir auf. Ich konnte nichts erkennen, weder Umriß noch Größe, nur zwei<br />

leuchtende Augen. Es blieb still stehen und erwiderte meinen starren Blick.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!