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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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11. Kapitel<br />

Ein Gedanke am Rande: Alle 20 Minuten waren Katz und ich auf dem Appalachian<br />

Trail eine längere Strecke zu Fuß gegangen als der durchschnittliche<br />

Amerikaner pro Woche. 93 Prozent aller Wege außerhalb der eigenen<br />

vier Wände, wie weit und für welchen Zweck auch immer, werden in Amerika<br />

heute <strong>mit</strong> dem Auto zurückgelegt. Insgesamt geht jeder Amerikaner im<br />

Schnitt 2,25 Kilometer pro Woche zu Fuß – da<strong>mit</strong> sind alle möglichen Gänge<br />

gemeint: vom Auto zum Büro, vom Büro zum Auto, und auch die Wege<br />

in Supermärkten und Einkaufszentren – das macht 320 Meter pro Tag. Das<br />

ist einfach grotesk.<br />

Als meine Familie und ich in die Vereinigten Staaten umzogen, wollten wir<br />

unbedingt in einer typischen Kleinstadt wohnen, in irgendeinem gemütlichen<br />

Nest, wo Jimmy Stewart Bürgermeister war, die Hardy Boys einem<br />

den Einkauf nach Hause brachten und Deanna Durbin immer und ewig ein<br />

Liedchen pfeifend am offenen Fenster stand. Solche idyllischen kleinen<br />

Städte sind gar nicht so leicht zu finden, aber Hanover, wo wir uns niederließen,<br />

kommt dem schon sehr nahe. Es handelt sich um ein nettes Collegestädtchen,<br />

typisch für New England, angenehm, ruhig und überschaubar,<br />

<strong>mit</strong> vielen alten Bäumen und spitzen Kirchtürmen. Es hat einen großen<br />

Stadtpark, eine altmodische Main Street, einen hübschen Campus <strong>mit</strong> einer<br />

gediegenen und ehrwürdigen Ausstrahlung, und von Laubbäumen gesäumte<br />

Straßen. Für jeden Einwohner sind die Post, die Stadtbücherei und die Geschäfte<br />

bequem zu Fuß zu erreichen.<br />

Die Sache ist nur die: Kaum einer geht irgendwohin zu Fuß. Ich kenne<br />

einen Mann, der die 500 Meter zu seinem Arbeitsplatz <strong>mit</strong> dem Auto fährt.<br />

Und eine Frau, die in ihren Wagen steigt, 400 Meter bis zur Sporthalle fährt,<br />

um dort auf einem Laufband zu trainieren, und sich bitter darüber beklagt,<br />

daß sie keinen Parkplatz findet. Als ich sie einmal fragte, warum sie nicht<br />

zu Fuß zur Sporthalle gehen und statt dessen fünf Minuten weniger auf dem<br />

Laufband trainieren würde, sah sie mich entgeistert an, als wollte ich sie<br />

provozieren. »Weil ich mein Trainingsprogramm auf dem Laufband absolvieren<br />

muß«, erklärte sie mir. »Es speichert die zurückgelegte Distanz und<br />

das Schrittempo, und ich kann den Schwierigkeitsgrad einstellen.« Ich hatte<br />

nicht bedacht, daß die Natur in dieser Hinsicht absolut unzulänglich ist.<br />

In Hanover jedenfalls könnte sie noch zu Fuß gehen, wenn sie wollte. In<br />

vielen anderen amerikanischen Städten ist es heute dagegen schon unmöglich,<br />

sich als Fußgänger fortzubewegen, selbst wenn man wollte. Das wurde<br />

mir am nächsten Tag in Waynesboro wieder überdeutlich bewußt, nachdem<br />

wir uns ein Zimmer gemietet und uns ein extravagantes spätes Frühstück<br />

gegönnt hatten. Ich ließ Katz in einem Waschsalon zurück – aus einem mir

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