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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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häufiger vor. Manchmal wandern AT-Begeisterte aus der Umgebung nur<br />

zur nächsten Hütte und bringen selbstgebackene Plätzchen, Sandwiches<br />

oder Brathühnchen <strong>mit</strong>. Eigentlich eine schöne Sitte.<br />

Wir kochten gerade unser Essen, als ein junger Mann ankam, der den Trail<br />

an einem Stück ging, von Norden nach Süden – der erste Weitwanderer, den<br />

wir in dieser Saison trafen. Er war an dem Tag 42 Kilometer gelaufen und<br />

war ganz aus dem Häuschen, als er erfuhr, daß Hotdogs auf dem Speiseplan<br />

standen. Katz, Connolly und ich hätten niemals sechs Stück heruntergekriegt,<br />

wir aßen pro Person nur vier, allerdings jede Menge Plätzchen zum<br />

Nachtisch, die übrigen hoben wir fürs Frühstück auf. Der junge Mann dagegen<br />

aß wie ein Scheunendrescher. Er vertilgte sechs Hotdogs, eine Dose<br />

Karotten, bediente sich großzügig bei den Oreo-Schokoladenplätzchen,<br />

zwölf Stück, eins nach dem anderen, und aß sie genüßlich und <strong>mit</strong> ausgiebigen<br />

Kaubewegungen auf. Er erzählte uns, er sei in Maine bei hohem Schnee<br />

losgegangen, sei unterwegs von Schneestürmen aufgehalten worden, liefe<br />

im Durchschnitt aber immer noch 40 Kilometer täglich. Er war nur knapp<br />

einssechzig groß, und sein Rucksack war ein Ungetüm. Kein Wunder, daß<br />

er so einen Mordshunger hatte. Er wollte versuchen, den Trail in drei Monaten<br />

zu schaffen, dazu nutzte er jede helle Stunde. Als wir am nächsten Morgen<br />

aufwachten, war die Dämmerung gerade erst angebrochen, aber unser<br />

Gast war bereits gegangen. An seiner Schlafstelle lag ein Zettel, auf dem er<br />

sich für das Essen bedankte und uns viel Glück wünschte. Wir wußten nicht<br />

einmal seinen Namen.<br />

Am späten Vor<strong>mit</strong>tag, als ich merkte, daß ich Connolly und Katz, die sich<br />

unterhielten und reichlich trödelten, ein gutes Stück hinter mir gelassen<br />

hatte, blieb ich in einer Schneise stehen und wartete auf sie. Die Schneise<br />

war breit und wirkte anmutig, wie aus grauer Vorzeit, eingebettet zwischen<br />

steilen Hügeln, die dem Ort einen verzauberten, geheimnisvollen Charakter<br />

verliehen. Es war alles da, was man von einer Waldszene erwarten konnte -<br />

hohe, stattliche Bäume, hier und da Balken aus schräg einfallendem Sonnenlicht,<br />

in dem die Staubkörnchen tanzten, ein mäandernder Bach, Teppiche<br />

aus prallem Farnkraut, und durch das stille Grün wehte beständig kühle<br />

Luft. Ich weiß noch, daß ich dachte, was für ein ungewöhnlich schöner<br />

Lagerplatz dies wäre.<br />

Ungefähr einen Monat später hatten zwei junge Frauen, Lollie Winans und<br />

Julianne Williams, offenbar den gleichen Gedanken. Sie schlugen ihre Zelte<br />

in dieser verschwiegenen Lichtung auf und wanderten die kurze Strecke<br />

durch den Wald zur Skyland Lodge – noch so ein Touristenzentrum –, um<br />

in dem Restaurant dort zu essen. Niemand weiß genau, was dann geschah,<br />

aber vermutlich hat sie jemand in Skyland beobachtet und ist ihnen zu ihrem<br />

Lager gefolgt. Drei Tage später fand man die beiden, an den Händen

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