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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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7. Kapitel<br />

Zwei Tage lang wechselte Katz kaum ein Wort <strong>mit</strong> mir. Am zweiten Abend<br />

hörte ich ein ungewohntes Geräusch aus seinem Zelt – das Zischen einer<br />

Getränkedose, die geöffnet wird – und er sagte streitlustig: »Weißt du, was<br />

das ist, <strong>Bryson</strong>? Cream-Soda. Und soll ich dir noch etwas verraten? Ich<br />

trinke sie gerade, und du kriegst nichts davon ab. Sie schmeckt köstlich.« Es<br />

folgte ein absichtlich verstärktes Schlürfen. »Hmmmmmm. Einfach köstlich.«<br />

Noch ein Schluck. »Soll ich dir sagen, warum ich sie trinke? Es ist<br />

neun Uhr, und Akte X hat gerade angefangen, meine absolute Lieblingssendung.«<br />

Man hörte ein lang anhaltendes Gluckern, dann wurde der Reißverschluß<br />

des Zeltes aufgezogen, eine Dose landete <strong>mit</strong> einem Scheppern auf<br />

dem Boden. Dann wurde der Reißverschluß wieder zugezogen. »Mensch,<br />

das tat gut. Und jetzt kannst du mich mal, gute Nacht.«<br />

Da<strong>mit</strong> war die Sache erledigt. Am nächsten Morgen war er wieder gut aufgelegt.<br />

Katz konnte sich nie so recht für das Wandern erwärmen, obwohl er sich<br />

wirklich alle Mühe gab. Ich glaube, nur ganz gelegentlich bekam er eine<br />

Ahnung davon, daß es beim Wandern draußen im Wald etwas gab – etwas<br />

schwer Faßbares und Elementares – was einem tiefe Zufriedenheit verschaffte.<br />

Manchmal freute er sich über einen Ausblick oder betrachtete<br />

erstaunt irgendein Wunder der Natur, aber in der Hauptsache war Wandern<br />

für ihn ein höchst anstrengendes, schmutziges, sinnloses Sich-Dahinschleppen<br />

von einem Ort der Bequemlichkeit zum nächsten, weit entfernt<br />

liegenden Ort. Ich dagegen ging ganz und gar in der simplen Tätigkeit des<br />

Vorwärtsstrebens auf, unbekümmert und zufrieden <strong>mit</strong> mir und der Welt.<br />

Meine entsprechende Abwesenheit faszinierte und amüsierte ihn zugleich,<br />

aber meistens war er einfach genervt.<br />

Am späten Vor<strong>mit</strong>tag des vierten Tages nach unserem Aufbruch in Franklin,<br />

hockte ich mich auf einen gewaltigen, grünen Felsen und wartete auf<br />

Katz, nachdem mir aufgefallen war, daß ich ihn eine ganze Weile nicht<br />

gesehen hatte. Als er endlich kam, wirkte er noch aufgelöster als sonst. In<br />

seinem Haar hingen kleine Zweige, sein Baumwollhemd wies einen neuen<br />

Riß auf, und auf seiner Stirn war ein getrocknetes Rinnsal Blut zu sehen. Er<br />

stellte seinen Rucksack ab und ließ sich erschöpft neben mir nieder, holte<br />

seine Wasserflasche und tat einen langen Zug, wischte sich über die Stirn,<br />

suchte seine Hand nach Blutspuren ab und sagte schließlich wie ganz nebenbei:<br />

»Wie bist du eigentlich um den Baum da unten herumgegangen?«<br />

»Welchen Baum?«<br />

»Den umgestürzten Baum da unten. Der quer über dem Felsgesims liegt.«<br />

Ich überlegte eine Minute lang. »Ich kann mich nicht daran erinnern.«

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