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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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nichts. Heute erhebt sich der Greylock aus einem 4.700 Hektar großen Naturschutzgebiet.<br />

Er ist ein wirkliches Prachtstück.<br />

Der steile Aufstieg zum Gipfel war schweißtreibend und zog sich endlos<br />

lange hin, aber die Mühe lohnte sich. Das offene, sonnige Gipfelareal, auf<br />

dem ständig ein frischer Wind weht, krönt ein großes, hübsches Steinhaus,<br />

Bascom Lodge, das in den 30er Jahren von den unermüdlichen Kadern des<br />

Civilian Conservation Corps errichtet wurde. Heute beherbergt es ein Restaurant<br />

und Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer. Auf dem Gipfel<br />

befindet sich außerdem ein Leuchtturm, der dort liebenswert anachronistisch<br />

wirkt (Greylock ist 225 Kilometer von der Küste entfernt) und als<br />

Mahnmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Massachusetts<br />

dient. Ursprünglich war der Turm für den Hafen von Boston gedacht,<br />

aber aus irgendeinem Grund steht er jetzt hier.<br />

Ich verzehrte mein <strong>mit</strong>gebrachtes Mittagessen, ging aufs Klo, wusch mich<br />

in der Lodge und eilte dann weiter, denn ich hatte noch 13 Kilometer zu<br />

laufen und war <strong>mit</strong> meiner Frau um vier Uhr in Williamstown verabredet.<br />

Auf den nächsten fünf Kilometern führte der Weg weitgehend über einen<br />

luftigen Grat, der den Greylock <strong>mit</strong> dem Mount Williams verbindet. Der<br />

Ausblick war spektakulär, über sanfte, grüne Hügel und hinauf bis zu den<br />

Adirondacks, zehn Kilometer weiter westlich, aber es war unglaublich heiß<br />

und selbst hier oben schwül und stickig. Hinzu kam der steile Abstieg, 914<br />

Meter auf fünf Kilometern, zum Glück durch dichten, kühlen, grünen Wald<br />

bis zu einer Nebenstraße, die weiter durch die offene schöne Landschaft<br />

führte.<br />

Außerhalb des Waldes war die Luft drückend. Es ging drei Kilometer über<br />

eine Straße ohne ein Fleckchen Schatten, und der Asphalt war so heiß, daß<br />

ich die Hitze durch meine Schuhsohlen hindurch spürte. Als ich schließlich<br />

in Williamstown ankam, zeigte das Thermometer an einer Bank 36 Grad<br />

Celsius an. Kein Wunder, daß ich so schwitzte. Ich überquerte die Straße<br />

und ging zu Burger King, wo wir uns verabredet hatten. Welch ein Genuß,<br />

aus der Affenhitze eines Sommertages in die kühle, keimfreie Frische eines<br />

klimatisierten Restaurants zu treten. Wenn es einen besseren Grund gibt,<br />

dankbar dafür zu sein, daß man im 20. Jahrhundert lebt, dann kenne ich ihn<br />

nicht.<br />

Ich holte mir ein großes Glas Cola, ließ mich an einem Tisch am Fenster<br />

nieder und fühlte mich durch und durch wohl. Ich hatte 27 Kilometer zurückgelegt,<br />

war bei sehr warmem Wetter über einen einigermaßen schwierigen<br />

Berg gestiegen. Ich war schmutzig, verschwitzt, verständlicherweise<br />

erledigt und stank so, daß sich die Leute nach mir umdrehten. Ich war wieder<br />

ein richtiger Wanderer.

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