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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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war <strong>mit</strong> frischen Sandwiches, Mineralwasser, Obstsaft und verderblicher<br />

Ware wie Käse und anderem. Katz und ich glotzten minutenlang dumpf und<br />

wie gebannt auf die Regale. Langsam fing ich an zu begreifen, daß die<br />

wichtigste Erfahrung, die man auf dem Appalachian Trail macht, die der<br />

Entbehrung ist, daß der ganze Sinn und Zweck der Unternehmung darin besteht,<br />

sich so weit von den Annehmlichkeiten des Alltags zu entfernen, daß<br />

die gewöhnlichsten Dinge, Schmelzkäse, eine schöne <strong>mit</strong> Kondenswasserperlen<br />

besetzte Dose Limonade, den Menschen <strong>mit</strong> Staunen und Dankbarkeit<br />

erfüllen. Es ist ein berauschendes Erlebnis, Cola zu trinken, als wäre es<br />

das erste Mal, und beim Anblick von Toastbrot an den Rand eines Orgasmus<br />

zu geraten. Ich finde, das macht die ganzen Strapazen vorher erst rich-<br />

tig lohnenswert.<br />

Katz und ich kauften je zwei Eiersalat-Sandwiches, Kartoffelchips, Schokoriegel<br />

und Limonade und setzten uns hinters Haus an einen <strong>Picknick</strong>tisch,<br />

wo wir unsere Köstlichkeiten unter Ausrufen des Entzückens gierig schmatzend<br />

verspeisten, dann kehrten wir wieder zum Kühlschrank zurück, um<br />

noch ein bißchen mehr zu staunen. Das Walasi-Yi, stellte sich heraus, bietet<br />

echten Wanderern noch einigen Service – Waschmaschinen, Duschen,<br />

Handtuchverleih –, und wir machten kräftig Gebrauch von diesen Einrichtungen.<br />

Die Dusche war schon ziemlich betagt und nur ein dünnes Rinnsal,<br />

aber das Wasser war heiß, und ich muß sagen, ich habe noch nie eine Körperreinigung<br />

so sehr genossen wie diese. Mit tiefer Befriedigung beobachtete<br />

ich, wie der Schmutz von fünf Tagen meine Beine hinunterrann und im<br />

Abfluß versickerte, und ich stellte selbstverliebt fest, daß mein Körper<br />

merklich schlankere Konturen angenommen hatte. Wir wuschen zwei Maschinenladungen<br />

Wäsche, spülten unsere Becher, Teller, Töpfe und Pfannen,<br />

kauften verschiedene Postkarten, riefen zu Hause an und füllten unseren<br />

Proviant <strong>mit</strong> frischen und haltbaren Lebens<strong>mit</strong>teln aus dem Laden auf.<br />

Das Walasi-Yi wurde von einem Engländer namens Justin und seiner amerikanischen<br />

Frau Peggy geführt, <strong>mit</strong> denen wir im Laufe des Nach<strong>mit</strong>tags,<br />

während wir ständig rein- und rausgingen, ins Gespräch kamen. Peggy<br />

erzählte uns, sie hätten seit dem ersten Januar bereits tausend Wanderer zu<br />

Besuch gehabt, dabei stehe die eigentliche Wandersaison erst noch bevor.<br />

Die beiden waren ein freundliches Paar, und ich hatte den Eindruck, daß besonders<br />

Peggy ihre Zeit hauptsächlich da<strong>mit</strong> verbrachte, genervte Wanderer<br />

davon abzuhalten aufzugeben. Erst tags zuvor hatte ein junger Mann aus<br />

Surrey sie gebeten, ihm ein Taxi zu bestellen, das ihn nach Atlanta bringen<br />

sollte. Peggy hatte ihn fast dazu überredet durchzuhalten, es wenigstens<br />

noch eine Woche lang zu versuchen, aber zum Schluß war er zusammengebrochen,<br />

hatte still geweint und sie angefleht, ihn doch nach Hause gehen zu<br />

lassen.

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