Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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14. Kapitel<br />
Am nächsten Morgen fuhr ich nach Pennsylvania, knapp 50 Kilometer nach<br />
Norden. Der Appalachian Trail führt in einem 370 Kilometer langen, nordöstlich<br />
ausgerichteten Bogen, der aussieht wie das dicke Ende eines Kuchenstücks,<br />
durch den Bundesstaat Pennsylvania. Ich kenne keinen Wanderer,<br />
der ein gutes Wort für den Trailabschnitt in Pennsylvania übrig hätte. Es<br />
ist der Ort, »an dem Wanderschuhe sich zum Sterben begeben«, wie sich<br />
jemand 1987 einem Reporter des National Geographie gegenüber ausdrückte.<br />
Während der letzten Eiszeit herrschte hier, was Geologen ein periglaziales<br />
Klima nennen. Es bezeichnet eine Zone am Rand einer Eisdecke,<br />
die sich durch häufige Frost- und Tauwetter-Zyklen auszeichnet und den<br />
felsigen Boden aufbricht. Die Folge sind endlose Gebiete aus zerklüfteten,<br />
bizarr geformten Steinbrocken, die in wackligen Schichten übereinanderliegen.<br />
Fachleute nennen das ein Felsenmeer. Es erfordert ständige Aufmerksamkeit<br />
beim Gehen, wenn man sich nicht den Knöchel verstauchen<br />
oder auf die Schnauze fallen will – keine angenehme Erfahrung <strong>mit</strong> einem<br />
Schub von 20 Kilo auf dem Rücken. Viele Wanderer kehren <strong>mit</strong> Schrammen<br />
und Knochenbrüchen aus Pennsylvania zurück. Außerdem soll es dort<br />
die aggressivsten Klapperschlangen und die unzuverlässigsten Wasserquellen<br />
geben, vor allem im Hochsommer. Die wirklich herrlichen Bergkämme<br />
der Appalachen in Pennsylvania – Nittany, Jacks und Tussey – liegen weiter<br />
nördlich und westlich. Aus diversen praktischen und historischen Gründen<br />
kommt der AT nicht einmal in die Nähe dieser Berge. Er führt eigentlich<br />
über gar keine bedeutende Erhebung in Pennsylvania, hat keine besonders<br />
einprägsamen Ausblicke zu bieten, berührt keine Nationalparks oder Wälder<br />
und läßt die bemerkenswerte Geschichte des Bundesstaates völlig außer<br />
acht. Der AT ist hier im wesentlichen das Herzstück eines sehr langen,<br />
strapaziösen Weges, der den Süden <strong>mit</strong> New England verbindet. Kein Wunder,<br />
daß die meisten Leute ihn nicht sonderlich mögen.<br />
Und noch etwas: Die Karten für diesen Abschnitt sind die schlechtesten, die<br />
je für Wanderer erstellt wurden. Die sechs Blätter für Pennsylvania – die<br />
Bezeichnung Karten wäre zuviel der Ehre –, die von einer Institution herausgegeben<br />
werden, die sich Keystone Trail Association nennt, sind klein,<br />
einfarbig, schlecht gedruckt, erstaunlich ungenau, und die Legende ist unzureichend<br />
– <strong>mit</strong> einem Wort, sie sind nutzlos, lächerlich, ja gefährlich. Niemand<br />
sollte <strong>mit</strong> solchen Karten in die Wildnis geschickt werden.<br />
Dieser Umstand offenbarte sich mir in seiner ganzen Tragweite erst, als ich<br />
auf dem Parkplatz des Caledonia State Park stand und mir einen Kartenausschnitt<br />
ansah, der ein einziger Fleck aus lauter Spiralen -war, - wie ein mißratener<br />
Fingerabdruck. Es war zum Heulen. In die einzige Höhenlinie hinein