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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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und sie sagte mir, in den acht Jahren, die sie nun hier arbeite, habe es nur<br />

zwei nachgewiesene Fälle von Schlangenbiß gegeben, beide nicht tödlich;<br />

eine Person sei durch Blitzschlag umgekommen.<br />

Dann fragte ich sie nach dem Mord an den beiden Frauen.<br />

Sie setzte eine <strong>mit</strong>fühlende Miene auf. »Schrecklich. Das hat uns alle sehr<br />

aufgeregt, weil Vertrauen in seine Mitmenschen eine Grundvoraussetzung<br />

für jeden ist, der den AT entlanggeht. Ich bin selbst 1987 die ganze Strecke<br />

abgewandert. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie sehr man auf die<br />

Hilfsbereitschaft von Fremden angewiesen ist. Eigentlich ist der ganze Trail<br />

darauf ausgerichtet. Und wenn das Vertrauen erst mal dahin ist…« Dann<br />

wurde sie sich ihrer Position bewußt und nahm den offiziellen Standpunkt<br />

ein – die altbekannte Leier, man dürfe nicht vergessen, daß der Trail von<br />

den allgemeinen Übeln der Gesellschaft nicht ausgenommen sei, aber daß er<br />

trotzdem, statistisch gesehen, außerordentlich sicher sei, verglichen <strong>mit</strong><br />

vielen anderen Orten in Amerika. »Seit 1937 sind neun Morde geschehen,<br />

so viele wie in jeder normalen Kleinstadt.« Das war korrekt, aber auch ein<br />

bißchen irreführend. In den ersten 36 Jahren war nämlich auf dem AT kein<br />

einziger Mord passiert, aber neun Morde in den vergangenen 22 Jahren.<br />

Dennoch war ihr erstes Argument unbestreitbar. Die Wahrscheinlichkeit, in<br />

seinem eigenen Bett ermordet zu werden, ist höher, als die, auf dem AT<br />

gewaltsam ums Leben zu kommen. Wie drückte es doch ein amerikanischer<br />

Bekannter so schön aus: »Zieht man eine 3.000 Kilometer lange, gerade<br />

Linie durch die USA, egal in welchem Winkel, trifft man dabei insgesamt<br />

unweigerlich auf neun Mordopfer.«<br />

»Es gibt ein Buch über einen der Morde, falls Sie das interessiert«, sagte die<br />

Verkäuferin und faßte unter die Ladentheke. Sie kramte eine Weile in einem<br />

Karton und holte dann ein Taschenbuch <strong>mit</strong> dem Titel Eight Bullets hervor,<br />

das sie mir zur Ansicht reichte. Es ging um zwei Wanderer, die<br />

1988inPennsylvania erschossen worden waren. »Wir haben es nicht ausgestellt,<br />

weil es die Leute nur aufregt, besonders jetzt«, sagte sie entschuldigend.<br />

Ich kaufte das Buch, und als sie mir das Wechselgeld herausgab, teilte ich<br />

ihr meinen Gedanken von eben <strong>mit</strong>, daß nämlich die beiden Frauen aus<br />

Shenandoah jetzt hier durchgekommen wären, wenn sie überlebt hätten.<br />

»Ja«, sagte sie, »daran habe ich auch schon gedacht.«<br />

Es nieselte, als ich nach draußen trat. Ich ging hoch zum Schoolhouse Ridge,<br />

um mir das Schlachtfeld anzusehen. Es war ein weiter, parkähnlicher<br />

Hügel, durch den sich ein Lehrpfad schlängelte, in Abständen versehen <strong>mit</strong><br />

Informationstafeln über Sprengladungen, über letzte, verzweifelte Attacken<br />

und andere kriegerische Handlungen. Die Schlacht um Harpers Ferry war<br />

der schönste Moment im Leben von Stonewall Jackson (der zuletzt in die

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