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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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Monson und Barren Mountain recht anspruchslos aus, zieht sich in einer<br />

mehr oder weniger gleichbleibenden Höhe von 365 Metern hin, <strong>mit</strong> nur<br />

wenigen steilen An- und Abstiegen. In Wahrheit ist der Weg die Hölle.<br />

Bereits nach einer halben Stunde kamen wir an eine Felswand, die erste von<br />

vielen, ungefähr 120 Meter hoch. Der Weg führte an der Vorderseite über<br />

eine Art Rinne nach oben, die wie ein Aufzugschacht aussah. Der Hang<br />

ragte fast senkrecht auf. Ein Grad mehr, und man hätte von einer Kletterwand<br />

sprechen müssen. Langsam und mühselig bahnten wir uns den Weg<br />

über Streinbrocken und zwischen ihnen hindurch, wobei wir Hände und<br />

Füße benutzten. Zu den Strapazen kam noch die schier unerträgliche Hitze.<br />

Ich mußte alle zehn, zwölf Meter anhalten, verschnaufen und mir den beißenden<br />

Schweiß aus den Augen wischen. Mir war schrecklich heiß, ich war<br />

schweißgebadet, geradezu in Schweißtücher gewickelt. Ich trank während<br />

des Aufstiegs meine Wasserflasche dreiviertel leer und benetzte <strong>mit</strong> dem<br />

Rest mein Stirnband, das ich mir zur Kühlung meines Kopfes, in dem es<br />

wie rasend hämmerte, umgebunden hatte. Ich fühlte mich überhitzt, und mir<br />

war schwindlig. Das konnte gefährlich werden. Ich legte häufigere und<br />

längere Ruhepausen ein, um mich zu erfrischen, aber jedesmal, wenn ich<br />

mich wieder erhob, kam die nächste Hitzewelle über mich. Ich hatte noch<br />

nie so hart und mühsam ackern müssen, um ein Hindernis auf dem Appalachian<br />

Trail zu überwinden, und das war gerade mal das erste von vielen, die<br />

noch folgen sollten.<br />

Oben lag ein mehrere hundert Meter langer, kahler, sanft abfallender Granitfels<br />

vor uns. Es war, als würde man auf dem Rücken eines Wals Spazierengehen.<br />

Von jedem Gipfel aus bot sich ein sensationeller Ausblick – ein<br />

wogender grüner Wald, klare blaue Seen und einsame erhabene Berge,<br />

soweit das Auge reichte. Viele Seen waren riesig, und in den meisten hatte<br />

vermutlich noch nie ein Mensch gebadet. Ich hatte das wohlige Gefühl, in<br />

einen verborgenen Winkel der Erde einzudringen, aber bei dieser mörderischen<br />

Hitze konnte man sich diesem Gefühl unmöglich ganz hingeben.<br />

Danach folgte ein schwieriger und zermürbender Abstieg über eine Felsklippe<br />

auf der anderen Seite, dann ein kurzer Gang durch ein dunkles Tal,<br />

das uns zur nächsten Felswand brachte. So verging der Tag <strong>mit</strong> gewaltigen<br />

Kletterpartien und der Hoffnung auf Wasser hinter dem nächsten Berg.<br />

Hauptsächlich diese Hoffnung hielt uns aufrecht. Katz hatte sein Wasser<br />

sehr schnell aufgebraucht; ich bot ihm von meinem an, was er dankbar und<br />

<strong>mit</strong> einem Blick, der um Waffenstillstand bat, annahm. Aber es lag noch<br />

immer etwas Unausgesprochenes zwischen uns, das schale Gefühl, daß sich<br />

etwas verändert hatte und daß es nie wieder so sein würde wie vorher.<br />

Es war meine Schuld. Ich ging stur weiter, viel weiter als wir normalerweise<br />

gegangen wären und ohne mich <strong>mit</strong> ihm abzusprechen. Es war die heimli-

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