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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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Cottage aussah. Aus der Nähe betrachtet, war sie alles andere als bezaubernd.<br />

Drinnen war es dunkel, die Wände schienen undicht, der Boden war<br />

aus Lehm und sah aus wie Schokoladenpudding, das Schlafpodest war eng<br />

und dreckig, und überall lag naß gewordener Abfall herum. An der Innenseite<br />

lief Wasser herab und tropfte in kleine Pfützen auf das Podest. Draußen<br />

gab es keinen <strong>Picknick</strong>tisch und auch kein Klo, wie sonst bei fast allen<br />

Hütten. Selbst gemessen an den asketischen Standards des Appalachian<br />

Trail, war das hier ziemlich hart. Immerhin hatten wir die Hütte für uns<br />

allein.<br />

Wie bei den meisten AT-Schutzhütten war die Vorderseite offen – ich habe<br />

nie verstanden, welcher Gedanke dahintersteckt, welches architektonische<br />

oder wartungstechnische Prinzip es erfordert, daß eine ganze Seite und<br />

da<strong>mit</strong> alle Gäste den Elementen ausgesetzt sind – , aber hier war noch ein<br />

Maschendrahtzaun davor angebracht. Auf einem Schild stand geschrieben:<br />

»Achtung. Nachtaktive Bären. Tür immer geschlossen halten.« Mich interessierte,<br />

wie aktiv sie wirklich waren, und während Katz schon mal Wasser<br />

für die Nudeln aufsetzte, warf ich einen Blick ins Hüttenbuch. Jede Hütte<br />

verfügt über ein Hüttenbuch, eine Art Gästebuch oder Register, in das die<br />

Besucher tagebuchartige Einträge über das Wetter, die Wegbedingungen,<br />

das eigene Gefühlsleben, soweit vorhanden, oder über ungewöhnliche Vorkommnisse<br />

machen können. In diesem war nur über gelegentliche »bärenähnliche«<br />

Geräusche des Nachts zu lesen, aber was die Chronisten am meisten<br />

beschäftigte, war die ungewöhnliche Lebhaftigkeit der anderen Hüttenbewohner<br />

– der Mäuse und Ratten.<br />

Von dem Moment an, als wir unsere müden Häupter niederbetteten, war das<br />

wuselige Getrippel der kleinen Nagetiere zu hören. Sie waren absolut zutraulich<br />

und liefen dreist über unsere Schlafsäcke und sogar über unsere<br />

Köpfe. Wild fluchend warf Katz seine Wasserflasche und was ihm sonst<br />

gerade in die Finger kam nach ihnen. Einmal machte ich meine Stirnlampe<br />

an und sah eine kleine Buschschwanzratte auf meinem Schlafsack sitzen, in<br />

Brusthöhe; sie hockte auf den Hinterläufen und glotzte mich <strong>mit</strong> stechendem<br />

Blick an. Spontan trat ich von innen gegen den Schlafsack und versetzte<br />

das arme Tierchen in Angst und Schrecken.<br />

»Ich habe eine erwischt!« rief Katz.<br />

»Ich auch«, sagte ich stolz.<br />

Katz rutschte auf Händen und Knien über den Boden, als wolle er selbst<br />

Mäuschen spielen, ließ den Strahl der Taschenlampe durch die Dunkelheit<br />

huschen und blieb von Zeit zu Zeit stehen, um einen Schuh zu werfen oder<br />

<strong>mit</strong> seiner Wasserflasche auf den Boden zu schlagen. Dann kroch er wieder<br />

in seinen Schlafsack, blieb eine Zeitlang ruhig, fluchte plötzlich lauthals,<br />

warf alles von sich und wiederholte die Prozedur. Ich vergrub mich in mei-

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