Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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amüsierten sie sich über die weißen, europäischen Gentlemen, die lauter<br />
Pflanzen, die um sie herum doch in Hülle und Fülle wuchsen, behutsam<br />
einsammelten und <strong>mit</strong>nahmen – und dann gab es noch all die Krankheiten,<br />
die man sich in den Wäldern holen konnte: Malaria, Gelbfieber und andere.<br />
»Nicht einer meiner Freunde ist bereit, die Strapazen auf sich zu nehmen<br />
und mich auf meinen Wanderungen zu begleiten«, beklagt sich John Bartram<br />
bitterlich in einem Brief an seinen englischen Gönner. Das überrascht<br />
kaum.<br />
Offenbar haben sich die Reisen trotzdem gelohnt. Ein einziger besonders<br />
wertvoller Samen brachte bis zu fünf Guineen ein. In einem Jahr erzielte<br />
John Lyon bei einer Reise nach Abzug aller Kosten einen Gewinn von 900<br />
Pfund – damals ein beträchtliches Vermögen. Im Jahr darauf begab er sich<br />
wieder auf Reisen und verdiente ungefähr noch mal die gleiche Summe.<br />
Fräser unternahm eine sehr lange Reise im Auftrag der russischen Zarin Katharina<br />
der Großen und mußte, als er aus der Wildnis heimkehrte, feststellen,<br />
daß es einen neuen Zar gab, der sich nicht für Pflanzen interessierte, ihn<br />
für verrückt hielt und seinen Vertrag nicht anerkannte. Fräser schaffte danach<br />
alles nach Chelsea, wo er eine kleine Gärtnerei besaß, und verdiente<br />
sich fortan seinen Lebensunterhalt <strong>mit</strong> dem Verkauf von Azaleen, Rhododendren<br />
und Magnolien an die englische Oberschicht.<br />
Andere wiederum gingen aus reiner Entdeckerfreude auf Reisen, allen voran<br />
Thomas Nuttall, ein junger, kluger, aber ungebildeter Handwerker und<br />
Drucker aus Liverpool, der 1808 nach Amerika kam und seine bislang ungeahnte<br />
Leidenschaft für Pflanzen entdeckte. Er unternahm zwei große<br />
Expeditionen, die er aus eigener Tasche finanzierte, machte zahlreiche,<br />
bedeutende Entdeckungen und spendete viele Pflanzen, <strong>mit</strong> denen er ohne<br />
weiteres sehr viel Geld hätte verdienen können, großzügigerweise dem<br />
Botanischen Garten in Liverpool. In nur neun Jahren entwickelte er sich von<br />
einem Laien ohne jegliche Kenntnisse zur führenden Autorität auf dem<br />
Gebiet der Pflanzen Amerikas. 1817 produzierte er – was ganz wörtlich zu<br />
verstehen ist, denn er verfaßte nicht nur den Text, sondern setzte auch die<br />
Druckstöcke zum großen Teil selbst – sein Buch Genera of North America,<br />
das über viele Jahrzehnte hinweg als das wichtigste Nachschlagewerk für<br />
amerikanische Botanik galt. Vier Jahre später wurde er zum Direktor des<br />
Botanischen Gartens der Harvard University ernannt, ein Amt, das er <strong>mit</strong><br />
Würde zwölf Jahre lang bekleidete; er fand trotzdem Zeit, sich auch noch zu<br />
einem führenden Experten der Vogelkunde zu machen, und legte 1832<br />
einen viel beachteten Text über die Vogelwelt Amerikas vor. Er war nach<br />
einhelliger Aussage ein sehr freundlicher Mensch, der den Respekt all jener<br />
gewann, die seine Bekanntschaft machten. Schönere Geschichten kann das<br />
Leben eigentlich nicht schreiben.