06.12.2012 Aufrufe

Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

wie auf einer Achterbahn, messerscharfe Kämme entlang und über grasbewachsene<br />

Kuppen, durch unermeßlich tiefe Wälder – Eiche, Esche, Kastanie<br />

und Fichte. Der Himmel wurde düsterer und die Luft kühler, aber erst<br />

am dritten Tag setzte der Schneefall ein. Es fing morgens an, <strong>mit</strong> einzelnen<br />

hauchzarten« Flocken, kaum wahrnehmbar. Dann kam Wind auf, und noch<br />

mehr Wind, bis er <strong>mit</strong> einer das Weltende ankündigenden Macht wehte, die<br />

selbst die Bäume in Angst und Schrecken versetzte. Mit dem Wind kam der<br />

Schnee, riesige Mengen. Um die Mittagszeit mußten wir gegen einen kalten,<br />

scharfen, wütenden Sturm ankämpfen, und kurz danach gelangten wir<br />

an ein schmales Gesims, über das der Weg eine Felswand entlang führte,<br />

Big Butt Mountain.<br />

Selbst bei idealen Wetterbedingungen erfordert der Pfad um den Big Butt<br />

viel Vorsicht und Geschick. Er sieht aus wie eine Fensterbank an einem<br />

Hochhaus, ist knapp 40 Zentimeter breit, an manchen Stellen bröckelig, zur<br />

einen Seite tut sich ein jäher Abgrund von etwa 25 Meter auf, zur anderen<br />

ragt eine bedrohlich steile Granitwand auf. Ein paarmal trat ich fußgroße<br />

Steinbrocken los und sah <strong>mit</strong> lähmendem Entsetzen, wie sie in die tiefsten<br />

Tiefen hinunterkrachten, ihren ewigen Ruhestätten entgegen. Der Pfad war<br />

<strong>mit</strong> Steinen gepflastert, durchwirkt von mäandernden Baumwurzeln, gegen<br />

die man fortwährend stieß oder über die man stolperte, und die, verdeckt<br />

unter einer Schicht Pulverschnee, von einer spiegelblanken Eisschicht überzogen<br />

waren. In häufigen, ermüdenden Abständen wurde der Weg von<br />

tiefen Bächen <strong>mit</strong> steinigem Grund gekreuzt, die zugefroren und vom Eis<br />

wie geriffelt waren und die man nur auf allen vieren überqueren konnte.<br />

Während der ganzen Zeit, in der wir diese irrsinnig schmale, gefährliche<br />

Kante entlanggingen, waren wir vom Schneegestöber wie geblendet und<br />

wurden von Windböen, die zwischen den schwankenden Bäumen pfiffen<br />

und uns an den Rucksäcken packten, beinahe umgestoßen. Das war kein<br />

Schneesturm, das war ein Schneegewitter. Wir kamen nur <strong>mit</strong> äußerster<br />

Behutsamkeit vorwärts, setzten den führenden Fuß erst ganz auf, bevor wir<br />

den hinteren hoben. Dennoch stieß Katz zweimal aus tiefster Seele comichafte<br />

Schreckenslaute von sich – Neihhhn! und Buahhh! –, als er nämlich<br />

den Halt verlor und ich mich umdrehte und sah, daß er <strong>mit</strong> angstgeweiteten<br />

Augen einen Baum umklammert hielt und <strong>mit</strong> strampelnden Füßen halb in<br />

der Luft hing.<br />

Es war nervenaufreibend. Wir brauchten zwei Stunden für 100 Meter. Als<br />

wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten, in Bearpen Gap,<br />

lag der Schnee über zehn Zentimeter hoch, und es schneite immer noch. Die<br />

ganze Welt war weiß und voller münzengroßer Flocken, die schräg zur Erde<br />

fielen, bevor sie vom Wind aufgewirbelt und in alle Richtungen verweht<br />

wurden. Die Sichtweite betrug knapp fünf Meter, häufig nicht einmal das.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!