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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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20. Kapitel<br />

Das trübte natürlich die Stimmung, wie man sich vorstellen kann. Wir sprachen<br />

nicht mehr darüber, aber es stand immer zwischen uns. Beim Frühstück<br />

wünschten wir uns gegenseitig guten Morgen, wie üblich, aber ansonsten<br />

wechselten wir kein Wort <strong>mit</strong>einander. Als wir uns kurz darauf neben<br />

dem Wagen von Keith einfanden, der versprochen hatte, uns zum Startpunkt<br />

des Trails zu bringen, standen wir verlegen schweigend da, wie zwei Kontrahenten<br />

in einem Rechtsstreit, die gleich vor ihren Richter geführt werden<br />

sollen.<br />

Am Waldrand, wo wir ausstiegen, war ein Schild aufgestellt, das besagte,<br />

hier sei der Anfang der Hundred Mile Wilderness, und es folgte eine ausführliche,<br />

sehr nüchtern formulierte Warnung, daß das, was vor einem läge,<br />

kein gewöhnlicher Abschnitt des Appalachian Trail sei und daß man nur<br />

weitermachen solle, wenn man Proviant für zehn Tage dabeihabe und sich<br />

fühle wie die Leute in einem Patagonia-Werbespot.<br />

Die Warnung verlieh dem Wald etwas Geheimnisvolles, Düsteres. Er war<br />

zweifellos anders als die Wälder weiter südlich -dunkler, schattiger, eher<br />

schwarz als grün. Hier standen auch andere Bäume – in den tieferen Lagen<br />

mehr Nadelbäume und sehr viel mehr Birken –, und verstreut im Unterholz<br />

lagen runde, schwarze Felsen, wie schlafende Tiere, die den stillen Schlupfwinkeln<br />

etwas Gespenstisches gaben. Als Walt Disney aus der Geschichte<br />

von Bambi einen Film machte, sollen die Bilder nach Vorlagen der Great<br />

North Woods in Maine entstanden sein, aber das hier war eindeutig kein<br />

Wald a la Disney, <strong>mit</strong> weiten Tälern und niedlichen Tieren. Dieser Wald<br />

erinnerte eher an den aus dem Film Der Zauberer von Oz, wo die Bäume<br />

häßliche Fratzen tragen und einem feindselig gesonnen sind und wo jeder<br />

Schritt Gefahr bedeutet. Das hier war ein Wald wie geschaffen für Bären,<br />

die hinter Bäumen lauern, Schlangen, die von Ästen herabbaumeln, Wölfen<br />

<strong>mit</strong> laserstrahlroten Augen, ein Wald voller seltsamer Geräusche, voller<br />

Schrecken – ein Ort, »an dem die Nacht haust«, wie Thoreau es so treffend<br />

ausgedrückt hat.<br />

Wie üblich war der Trail sehr gut markiert, nur an manchen Stellen war er<br />

fast überwuchert von Farnkräutern und Buschwerk, das von den Wegrändern<br />

auf die Mitte hin zuwuchs und den eigentlichen Pfad auf eine kaum<br />

erkennbare Linie am Waldboden reduzierte. Da nur 10 Prozent der Weitwanderer<br />

es bis hierher schaffen und dieser Abschnitt für eine Tagestour zu<br />

weit entfernt ist, wird der Trail in Maine kaum frequentiert, so erobern die<br />

Pflanzen ihn wieder zurück. Was diesen Abschnitt des Trails allerdings<br />

besonders von den anderen unterscheidet, ist das Gelände. Im Profil sieht<br />

die Topographie des AT auf dem 29 Kilometer langen Abschnitt zwischen

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