Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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»Nein«, sagte er sauer. Er fand meine Frage überhaupt nicht komisch. Er<br />
rang nach Worten, um seinen komplizierten Gefühlen Ausdruck zu geben.<br />
»Ich finde, wir haben sie irgendwie sitzengelassen«, platzte er schließlich<br />
heraus.<br />
Ich ließ mir den Vorwurf durch den Kopf gehen. »Eigentlich haben wir sie<br />
nicht irgendwie sitzengelassen. Wir haben sie sitzengelassen. Ganz einfach.«<br />
Ich war absolut nicht seiner Meinung. »Na und?«<br />
»Ich habe irgendwie ein schlechtes Gefühl – nur irgendwie –, weil wir sie<br />
allein, auf sich gestellt, im Wald zurückgelassen haben.« Dann verschränkte<br />
er die Arme, als wollte er da<strong>mit</strong> sagen: So, jetzt ist es raus.<br />
Ich legte die Gabel beiseite und überlegte. »Sie ist doch auch allein losgegangen«,<br />
sagte ich. »Wir sind nicht für sie verantwortlich. Wir haben keinen<br />
Vertrag abgeschlossen, nach dem wir uns um sie zu kümmern hätten.«<br />
Noch während ich das sagte, wurde mir <strong>mit</strong> schrecklicher, zunehmender<br />
Deutlichkeit klar, daß er recht hatte. Wir hatten Mary Ellen abgehängt und<br />
sie den Bären, Wölfen und geil lechzenden Bergbewohnern überlassen. Ich<br />
war dermaßen <strong>mit</strong> meiner eigenen wilden Gier nach Essen und einem richtigen<br />
Bett beschäftigt gewesen, daß mir nicht in den Sinn gekommen war,<br />
was unser plötzliches Verschwinden für sie bedeuten würde – eine Nacht<br />
allein zwischen rauschenden Bäumen, umgeben von Finsternis, die Ohren<br />
gezwungenermaßen gespitzt, auf das vielsagende Knacken eines Astes oder<br />
Zweiges unter einem schweren Fuß oder einer Tatze lauschend. So etwas<br />
gönnte ich keinem Menschen. Mein Blick fiel auf meinen Kuchen, und ich<br />
merkte, daß mir der Appetit vergangen war. »Vielleicht hat sie jemand anderen<br />
gefunden, <strong>mit</strong> dem sie ihr Lager teilen kann«, erwiderte ich lahm und<br />
schob den Teller von mir weg.<br />
»Bist du heute unterwegs irgend jemandem begegnet?«<br />
Er hatte recht. Wir hatten fast keine Menschenseele gesehen.<br />
»Wahrscheinlich ist sie jetzt immer noch unterwegs«, sagte Katz <strong>mit</strong> einer<br />
Spur plötzlicher Aufregung. »Und fragt sich, wo wir beide bloß abgeblieben<br />
sind. Scheißt sich vor Angst in ihren Breitwandarsch.«<br />
»Hör auf«, bat ich ihn mißgelaunt und schob den Teller <strong>mit</strong> dem Kuchen<br />
zerstreut noch ein Stück weiter von mir.<br />
Er nickte, ein nachdrückliches, eifriges, selbstgerechtes Nicken und sah<br />
mich <strong>mit</strong> einer seltsam strahlenden Miene an, die besagte: Und wenn sie<br />
stirbt, dann geht das auf deine Kappe. Er hatte recht. Ich war der Rädelsführer<br />
in dieser Sache gewesen. Es war meine Schuld.<br />
Dann beugte er sich weiter vor und sagte in einem völlig veränderten Tonfall:<br />
»Wenn du den Kuchen nicht mehr ißt – darf ich ihn dann haben?«<br />
Am nächsten Morgen frühstückten wir gegenüber bei Hardees und ließen