Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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nen Kastanienbäume auf dem Gelände über und über <strong>mit</strong> kleinen, orangefarbenen,<br />
krebsartigen Geschwüren eines unbekannten Typs bedeckt waren.<br />
Innerhalb weniger Tage erkrankten die Bäume und starben. Als Wissenschaftler<br />
den Erreger identifiziert hatten, einen asiatischen Pilz <strong>mit</strong> der Bezeichnung<br />
Endothia parasitica – wahrscheinlich <strong>mit</strong> einer Schiffsladung<br />
infizierter Bäume oder Holzbretter aus dem Orient eingeschleppt –, waren<br />
die Kastanienbäume bereits alle abgestorben und der Pilz in die Weite der<br />
Appalachen verschleppt, wo jeder vierte Baum eine Kastanie war.<br />
Trotz seiner Masse ist ein Baum ein höchst empfindliches Gebilde. Das<br />
gesamte Innenleben spielt sich in drei hauchdünnen Gewebeschichten direkt<br />
unter der Borke ab – Phloem, Xylem und Kambium –, die zusammen einen<br />
feuchten Mantel um das tote Kernholz bilden. Wie groß ein Baum auch<br />
immer wird, im Grunde besteht er nur aus einigen Kilogramm lebender<br />
Zellen, die sich weiträumig zwischen Wurzeln und Blättern verteilen. Diese<br />
drei aktiven Zellenschichten sind zuständig für die gesamte komplizierte<br />
Wissenschaft und Technik, die nötig sind, um einen Baum am Leben zu<br />
erhalten, und die Effizienz, <strong>mit</strong> der dies geschieht, zählt zu den größten<br />
Naturwundern. Ohne viel Getöse und Aufhebens zieht jeder Baum im Wald<br />
riesige Wassermengen aus dem Boden hoch – bei großen Bäumen sind das<br />
an heißen Tagen 1.000 Liter und mehr –, von den Wurzeln bis in die Blätter,<br />
von wo aus es zurück in die Atmosphäre gelangt. Stellen Sie sich den<br />
Lärm vor, den die Maschinen der Feuerwehr veranstalten würden, wenn sie<br />
die gleiche Menge Wasser dort hinaufbefördern müßten.<br />
Der Wassertransport ist nur eine der vielen Aufgaben von Phloem, Xylem<br />
und Kambium. Sie stellen außerdem Lignin und Zellstoff her, regulieren<br />
den Vorrat und die Produktion von Gerbsäure, Saft, Gummi, Ölen und Harzen,<br />
verteilen Mineralien und Nährstoffe, verwandeln Stärke in Zucker, der<br />
für zukünftiges Wachstum gebraucht wird (Stichwort Ahornsirup), und erledigen<br />
lauter andere wichtige Dinge. Alles vollzieht sich in einer sehr zarten<br />
Schicht, weswegen ein Baum höchst anfällig für eindringende Organismen<br />
ist. Um dem entgegenzuwirken, verfügen Bäume über ein ausgeklügeltes<br />
Abwehrsystem. Der Grund, warum ein Gummibaum beim Anschneiden<br />
zum Beispiel Latex absondert, liegt darin, daß da<strong>mit</strong> Insekten und anderen<br />
Organismen <strong>mit</strong>geteilt werden soll: »Vorsicht! Ungenießbar. Verschwindet!«<br />
Bäume können auch gefräßige Raupen abschmettern, indem sie ihre<br />
Blätter <strong>mit</strong> Gerbsäure überschwemmen, wodurch die Blätter weniger<br />
schmackhaft werden und die Raupe genötigt wird, sich woanders nach Futter<br />
umzusehen. Wenn der Befall besonders schlimm ist, können manche<br />
Bäume diesen Umstand sogar als Information weitergeben. Einige Eichenarten<br />
setzen eine chemische Substanz frei, durch die anderen Eichen in der<br />
Umgebung <strong>mit</strong>geteilt wird, daß in Kürze ein Angriff erfolgen wird. Als