Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
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3. Kapitel<br />
Alles nahm seinen Anfang <strong>mit</strong> einem Mann namens Benton MacKaye,<br />
einem sanftmütigen, freundlichen, unendlich wohlmeinenden Visionär, der<br />
im Sommer 1921 seinem Freund Charles Harris Whitaker, Herausgeber<br />
einer führenden Architektur-Zeitschrift, den ehrgeizigen Plan für einen<br />
Fernwanderweg unterbreitete. Die Behauptung MacKayes Leben sei zu<br />
diesem Zeitpunkt nicht zufriedenstellend verlaufen, wäre eine harmlose Untertreibung.<br />
In dem Jahrzehnt davor war er von diversen Posten in Harvard<br />
und dem National Forest Service entlassen und, mangels einer besseren<br />
Stelle, auf die man ihn hätte abschieben können, <strong>mit</strong> dem unklar umrissenen<br />
Auftrag, Ideen zur Steigerung der Effizienz und der Moral zu entwickeln, in<br />
ein Büro des amerikanischen Ministeriums für Arbeit gesteckt worden.<br />
Pflichtbewußt, wie er war, arbeitete er ehrgeizige und unrealistische Entwürfe<br />
aus, die <strong>mit</strong> Erheiterung zur Kenntnis genommen wurden und anschließend<br />
gleich im Papierkorb landeten. Im April 1921 stürzte sich seine<br />
Frau, die berühmte Pazifistin und Suffragette Jessie Hardy Stubbs, von einer<br />
Brücke in New York in den East River und ertrank.<br />
Soweit die Vorgeschichte. Gerade einmal zehn Wochen nach dem tragischen<br />
Ereignis eröffnete MacKaye seinem Freund Whitaker die Idee für<br />
einen Wanderweg durch die Appalachen, und im Oktober wurde der Vorschlag<br />
in einem dafür eigentlich ungeeigneten Forum, der Zeitschrift von<br />
Whitaker, dem Journal of the American Institute of Architects, veröffentlicht.<br />
Der Appalachian Trail war nur ein Aspekt von MacKayes weitreichender<br />
Vision. Er sah den AT als eine Art roten Faden, um »Arbeitslager«<br />
auf den Berggipfeln <strong>mit</strong>einander zu verbinden. In diese sogenannten Workcamps<br />
sollten die blassen, erschöpften Arbeiter aus den Städten zu Tausenden<br />
strömen und sich im Geiste der Selbstlosigkeit in gesundheitsfördernder<br />
Schufterei ergehen und sich an der freien Natur ergötzen. Herbergen, Rasthäuser<br />
und Studienzentren sollten errichtet werden, schließlich sogar ganze<br />
Walddörfer, die dauerhaft bewohnt sein sollten, Kooperativen »in Selbstverwaltung«,<br />
deren Bewohner sich <strong>mit</strong> »nichtindustrieller Tätigkeit«, basierend<br />
auf Handwerk, Forst- und Landwirtschaft, ihren Lebensunterhalt verdienen<br />
sollten. Das Ganze sollte nach MacKayes überschwenglicher Beschreibung<br />
ein »Rückzug vom Profitdenken« sein – eine Vorstellung, in der<br />
andere »die Geißel des Bolschewismus« erkannten, um <strong>mit</strong> den Worten<br />
eines Biographen zu sprechen.<br />
Zu dem Zeitpunkt, als MacKaye seine Idee entwickelte, existierten bereits<br />
mehrere Wandervereine im Osten der Vereinigten Staaten – der Green<br />
Mountain Club, der Dartmouth Outing Club und der altehrwürdige Appalachian<br />
Mountain Club, um nur einige zu nennen. Diese eher elitären Organi-