Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
18. Kapitel<br />
Am Nach<strong>mit</strong>tag des 12. April 1934 hatte Salvatore Pagliuca, ein Meteorologe<br />
der Wetterstation auf dem Gipfel des Mount Washington, ein Erlebnis,<br />
das niemand vor ihm je gehabt hatte und seitdem auch nie wieder jemand<br />
gehabt hat.<br />
Auf dem Mount Washington ist es, milde ausgedrückt, gelegentlich etwas<br />
stürmisch, und an jenem 12. April wehte ein besonders heftiger Wind. In<br />
den vorangegangenen 24 Stunden war die Windgeschwindigkeit nicht unter<br />
170 Stundenkilometer gefallen, in den Böen lag sie zeitweilig sogar noch<br />
darüber. Als es Zeit wurde für Pagliuca, wie jeden Nach<strong>mit</strong>tag die Anzeigen<br />
an den Meßgeräten abzulesen, war der Wind so stark, daß er sich ein Seil<br />
um die Taille band und zwei Kollegen bat, das andere Ende festzuhalten.<br />
Die Männer hatten bereits Schwierigkeiten, die Tür zur Wetterstation aufzukriegen,<br />
und brauchten ihre ganze Kraft, da<strong>mit</strong> ihnen Pagliuca nicht als<br />
lebender Drachen davonflog. Wie es ihm gelang, an seine Instrumente heranzukommen<br />
und die Werte abzulesen, ist nicht überliefert, auch nicht<br />
seine Worte, als er schließlich wieder in die Station getorkelt kam, aber<br />
»Wahnsinn!« scheint mir sehr wahrscheinlich.<br />
Fest steht jedenfalls, daß Pagliuca eine Bodenwindgeschwindigkeit des<br />
Windes von 371 Stundenkilometer gemessen hatte. Ein solches Tempo war<br />
nie zuvor auf der ganzen Welt registriert worden.<br />
In seinem Buch The Worst Weather: A History of the Mount Washington<br />
Observatory bemerkt William Lowell Putnam dazu trocken: »Vielleicht gibt<br />
es gelegentlich irgendwo an einem gottverlassenen Ort auf dem Planeten<br />
Erde schlechteres Wetter, aber das muß erst noch korrekt gemessen werden.«<br />
Zu den Rekorden der Wetterstation auf dem Mount Washington<br />
kommen noch weitere hinzu: die meisten zerstörten Wettermeßinstrumente,<br />
der meiste Wind innerhalb von 24 Stunden (fast 5.000 Kilometer insgesamt),<br />
und die extremste Windkälte (eine Kombination aus einer Windgeschwindigkeit<br />
von 160 Stundenkilometern und einer Außentemperatur von -<br />
40 Grad Celsius; das wird selbst in der Antarktis nicht übertroffen).<br />
Der Mount Washington verdankt seine extremen Wetterverhältnisse nicht<br />
so sehr der Höhe oder dem Breitengrad, obwohl beide Faktoren eine Rolle<br />
spielen, sondern vielmehr seiner Lage an einer Stelle, wo zwei von ihrer<br />
Höhe bestimmte Wettersysteme aus Kanada und von den Großen Seen auf<br />
feuchte, relativ warme Luft vom Atlantik beziehungsweise aus dem Süden<br />
der Vereinigten Staaten treffen. In der Folge fallen im Jahresdurchschnitt<br />
625 Zentimeter Schnee. Während eines besonders denkwürdigen Sturms im<br />
Jahr 1969 fielen innerhalb von drei Tagen zweieinhalb Meter Schnee auf<br />
dem Gipfel. Der Wind ist ein zusätzliches, spezielles Merkmal: Im Winter