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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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durch die Wand zu uns herüber – ein Poltern und Murmeln, Geräusche, als<br />

würden Möbel im Zimmer verrückt, und kurze heftige Wutausbrüche, gefolgt<br />

von lang anhaltenden Phasen der Stille. Ich hielt die Hand meiner Frau<br />

fest und wußte nicht, was ich sagen sollte. Am nächsten Morgen klopfte ich<br />

bei Katz an und steckte schließlich, da er nicht antwortete, den Kopf durch<br />

die Tür. Er schlief noch, angezogen, auf einem Haufen zerwühlter Bettwäsche.<br />

Die Matratze war ein Stück vom Bettkasten gerutscht, als hätte er sich<br />

<strong>mit</strong> irgendwelchen nächtlichen Eindringlingen herumgeschlagen. Sein<br />

Rucksack war voll, aber nicht zugebunden, und seine persönlichen Sachen<br />

lagen immer noch weiträumig im ganzen Zimmer verstreut. Ich sagte ihm,<br />

wir müßten in einer Stunde losfahren, wenn wir unseren Flug nicht verpassen<br />

wollten.<br />

»Jaah«, sagte er.<br />

20 Minuten später kam er die Treppe herunter, schwerfällig und unter leisem<br />

Gefluche. Man hörte, ohne hinzusehen, daß er seitlich und übervorsichtig<br />

ging, als wären die Stufen vereist. Den Rucksack hatte er aufgesetzt.<br />

Hinten und an beiden Seiten, überall waren irgendwelche Sachen festgebunden<br />

– ein Paar versiffte Turnschuhe, ein zweites Paar, offenbar normale<br />

Alltagsschuhe, dazu Töpfe und Pfannen, eine Laura-Ashley-Einkaufstasche,<br />

die er im Kleiderschrank meiner Frau gefunden und sich angeeignet hatte<br />

und die jetzt <strong>mit</strong> wer weiß was gefüllt war. »Besser habe ich es nicht hingekriegt«,<br />

sagte er. »Ich mußte ein paar Sachen hier lassen.«<br />

Ich nickte. Ich mußte auch ein paar Sachen zu Hause lassen. An erster Stelle<br />

waren die Haferflocken zu nennen, die ich sowieso nicht mag, und die etwas<br />

ekligeren Kuchen von Little Debbie, will sagen, alle Kuchen von Little<br />

Debbie.<br />

Meine Frau brachte uns bei dichtem Schneetreiben zum Flughafen nach<br />

Manchester, und wir verharrten in dem eigentümlichen Schweigen, das<br />

einer langen Trennung vorausgeht. Katz saß auf dem Rücksitz und aß<br />

Doughnuts. Am Flughafen überreichte mir meine Frau ein Geschenk der<br />

Kinder, einen Spazierstock <strong>mit</strong> Knauf, dem sie eine rote Schleife umgebunden<br />

hatten. Ich hätte in Tränen ausbrechen können – am liebsten wäre ich<br />

gleich wieder in den Wagen gestiegen und zurückgefahren. Katz mühte sich<br />

derweil noch stirnrunzelnd <strong>mit</strong> den vielen Gurten ab. Meine Frau kniff mich<br />

in den Arm, lächelte verlegen und ging.<br />

Ich schaute ihr hinterher, dann betrat ich <strong>mit</strong> Katz den Terminal. Der Mann<br />

am Abfertigungsschalter warf einen Blick auf unsere Tickets nach Atlanta<br />

und sagte in einem – wie ich fand -ziemlich alarmierenden Ton für einen<br />

Menschen, der im Winter <strong>mit</strong> kurzärmeligem Hemd herumlief: »Haben Sie<br />

vor, den Appalachian Trail entlangzuwandern?«<br />

»Und ob!« sagte Katz <strong>mit</strong> stolzgeschwellter Brust.

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