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Picknick mit Baren - Bryson, Bill.pdf

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jemand auf der Hauptstraße begegnet wäre), wußte, daß ich mir vorgenommen<br />

hatte, den AT zu machen – was ja schlecht stimmen konnte, wenn ich<br />

dabei erwischt wurde, wie ich mich in der Stadt herumdrückte. (»Heute<br />

habe ich <strong>Bryson</strong> gesehen, wie er gerade <strong>mit</strong> einer Zeitung vorm Gesicht in<br />

Eastmans Pharmacy gehüpft ist. Ich dachte, der wollte den AT abgehen. Es<br />

stimmt, du hast recht. Er ist ein komischer Kauz.«)<br />

Ich mußte zurück auf den Trail. Ich meine, so richtig weit weg von zu Hause,<br />

irgendwo ins nördliche Virginia, jedenfalls weit genug, um <strong>mit</strong> Anstand<br />

behaupten zu können, ich sei den AT, wenn schon nicht ganz, dann wenigstens<br />

fast ganz entlanggewandert. Die Schwierigkeit war bloß die, daß man<br />

auf der gesamten Strecke ohne fremde Hilfe weder auf den Weg rauf- noch<br />

von ihm runterkommt. Ich konnte nach Washington fliegen, nach Newark<br />

oder Scranton oder jeden beliebigen anderen Ort in der Nähe des Trails,<br />

aber jedesmal wäre ich noch kilometerweit vom eigentlichen Wanderweg<br />

entfernt gewesen. Ich wollte auch nicht die Geduld meiner lieben Frau strapazieren<br />

und sie bitten,sich zwei Tage freizunehmen, um mich nach Virginia<br />

oder Pennsylvania zu bringen, also beschloß ich, selbst zu fahren. Ich<br />

würde, so stellte ich mir vor, den Wagen an einer günstigen Stelle parken, in<br />

die Berge wandern, dann zurück zum Wagen, ein Stück weiterfahren und<br />

das Ganze wiederholen. Ich rechnete schon da<strong>mit</strong>, daß das im Grunde ziemlich<br />

unbefriedigend werden würde, eigentlich war es sogar schwachsinnig –<br />

und ich sollte in beiden Punkten recht behalten –, aber mir fiel keine bessere<br />

Alternative ein.<br />

Und so stand ich in der ersten Juniwoche wieder an den Ufern des Shenandoah,<br />

in Harpers Ferry, West Virginia, blinzelte in den grauen Himmel und<br />

versuchte mir krampfhaft einzureden, daß ich mir nichts anderes gewünscht<br />

hatte.<br />

Harpers Ferry ist aus verschiedenen Gründen ein interessanter Ort. Zunächst<br />

einmal ist er sehr hübsch. Das liegt daran, daß es sich hier um einen National<br />

Historical Park handelt und es deswegen keine Pizza Huts, McDonalds,<br />

Burger Kings, nicht einmal Einwohner im eigentlichen Sinn gibt, jedenfalls<br />

nicht in dem tiefer gelegenen, älteren Stadtteil. Statt dessen findet man<br />

lauter restaurierte oder im historischen Stil wiederaufgebaute Häuser <strong>mit</strong><br />

Plaketten und Hinweistafeln, so daß es eigentlich kaum städtisches Leben<br />

gibt, eigentlich gar kein Leben. Trotzdem hat diese geputzte Niedlichkeit<br />

etwas Betörendes. Es wäre sogar ein ganz netter Ort zum Leben, wenn man<br />

den Einwohnern nur trauen könnte, nicht dem Drang nachzugeben, unbedingt<br />

Pizza Huts und Taco Beils in ihren Mauern haben zu wollen (ich persönlich<br />

glaube, man könnte ihnen trauen – aber höchstens anderthalb Jahre<br />

lang). Es ist ein Ort, der nur so tut als ob, eine Art Fälschung, hübsch ver-

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