I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Das Kreativzentrum Wolfen-Nord<br />
mit denen <strong>Arbeit</strong> untrennbar verb<strong>und</strong>en ist: Zeitstruktur, Sinn, Gemeinschaft bzw. kollektive<br />
Zusammenarbeit, Identität <strong>und</strong> Aktivität. Psychologisch ist es nur für einen geringen<br />
Teil der Menschen möglich, diese Kategorien für sich selbst einzusetzen oder<br />
selbst aufrechtzuerhalten, wenn nicht die äußere Institution der <strong>Arbeit</strong> sie dazu zwingt<br />
(ebd.). Die Aussage von Frau Kiontke auf die Frage, was für sie eine Hilfe war, aus der<br />
Isolation herauszukommen, entspricht Jahodas Sichtweise. „Das war die Pflicht.(…)<br />
Aber den Punkt zu überwinden, ’ich geh jetzt von alleine da hin’, das machen wenige“<br />
(L 513-517). Auch weil für das gesellschaftliche Funktionieren in der Industriegesellschaft<br />
die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren <strong>und</strong> für sich selbst zu planen, so wenig<br />
gebraucht wurde, stellt diese unfreiwillig gestellte Bewältigungsaufgabe ein so großes<br />
Problem dar. Persönliche Entfaltung, Eigeninitiative oder Eigensinn wurde eher unterdrückt<br />
als gefordert. Erwerbslosigkeit wird in Wolfen-Nord teilweise als „Entlassung aus<br />
dem Leben“ (vgl. Müller 2003) erfahren. <strong>Arbeit</strong> stellte in der ehemaligen<br />
DDR die integ-<br />
rierende<br />
alltagskulturell dominante Institution der Menschen dar, viel stärker noch als<br />
es in Westdeutschland der Fall war oder ist (siehe Kap. I 1.1.3).<br />
<strong>Arbeit</strong>slosigkeit, Armut, Verlust von sozialen Beziehungen im Nahraum durch massiven<br />
Wegzug, Vandalismus <strong>und</strong> Delinquenz oder die Furcht vor Delinquenz sind Phänome<br />
ne, die die Lebensqualität im Stadtteil beeinträchtigen. In dieser Situation kam es in der<br />
Vergangenheit zu unterschiedlichen Reaktionen auf die Perspektivlosigkeit:<br />
• Wegzug, als die vielfach gelebte Möglichkeit für alle, die hierfür die nötigen<br />
Ressourcen haben<br />
• Entwertung ins Selbstbild integrieren <strong>und</strong> zur Selbstzuschreibung machen <strong>und</strong><br />
mit Rückzug oder Revolte reagieren<br />
• die Entwertung nicht akzeptieren, um mit Jahoda zu sprechen, die verlorenen<br />
Erlebniskategorien in Eigenregie wiederaufzubauen <strong>und</strong> an Aktivitäten im Stadt-<br />
teil für das eigene Selbstbild <strong>und</strong> für die Gestaltung der Zukunft mitzuwirken.<br />
Nach Böhnisch können alle Handlungsstrategien als Bewältigungsverhalten gedeutet<br />
werden,<br />
die dazu dienen, die psychische Balance in den Gr<strong>und</strong>dimensionen zu erhalten<br />
bzw. wieder herzustellen (siehe Kap. I 4.5).<br />
3.3.2 Bedeutung der <strong>Eigenarbeit</strong> im Kreativzentrum <strong>und</strong> in Wolfen-Nor d<br />
Die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten im Kreativzentrum macht deutlich, dass <strong>Eigenarbeit</strong><br />
nur eine Option unter vielen in der Nutzung des Hauses darstellt.<br />
Die begriffliche Auseinandersetzung, die in Kap. I 2 erfolgt ist, beziehen wir nun auf<br />
das Verständnis dessen, was als <strong>Eigenarbeit</strong> in der Praxis in Wolfen geschieht <strong>und</strong><br />
fragen: Welche Art von <strong>Eigenarbeit</strong> wird hier praktiziert? Auf die Bedeutung der Eigen-<br />
101