I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die vergesellschaftende Kraft der <strong>Arbeit</strong><br />
Die „Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Sachsen <strong>und</strong> Bayern“ (1997) ging<br />
z. B. von dieser Position aus <strong>und</strong> erarbeitete Vorschläge zur Verbesserung der Beschäftigungslage.<br />
Der Vorsitzende der Kommission, Meinhard Miegel, stuft <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />
als weitgehend überwindbares Problem ein <strong>und</strong> setzt dabei auf eine Ausweitung<br />
des Marktes im Bereich der einfachen personenbezogenen Dienste. Er schrieb, die<br />
„Erwerbsbevölkerung muss sich anpassen“ <strong>und</strong> stärker „unternehmerisches Verhalten<br />
entfalten“ (Miegel 2001, S.11 f.). Hemmnisse in diesem Zusammenhang seien die überkommene<br />
sozialstaatliche Versorgungsmentalität <strong>und</strong> eine „gesellschaftliche Ächtung<br />
derart niedrig produktiver Tätigkeiten. Solche Dienste nachzufragen, galt als unschicklich,<br />
sie anzubieten als unzumutbar“(ebd. S. 21). Ein weiteres Hemmnis war das<br />
(zumindest noch 2001) seiner Meinung nach zu hohe Niveau der Sozialhilfeleistungen<br />
<strong>und</strong> des <strong>Arbeit</strong>slosengeldes im Vergleich zum Einkommen aus niedrig entlohnten Tätigkeiten.<br />
Mit Blick auf das Job-W<strong>und</strong>er in den USA wurde die Deregulierung des Marktes<br />
empfohlen <strong>und</strong> eine Skizze des aktivierenden Sozialstaates entworfen (vgl. Böllert,<br />
S. 1288), die sich in der Reform 2005 unter dem Motto „fördern <strong>und</strong> fordern“ teilweise<br />
wiederfinden lässt. 18 Demzufolge steckt die <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft in einer Phase des<br />
Wandels, ein neues Gleichgewicht wurde noch nicht erreicht.<br />
Günther Voß <strong>und</strong> Hans Pongraz (1998, S.150) erarbeiteten einen, den charakteristischen<br />
Anforderungen des Postfordismus entsprechenden Idealtypus einer <strong>Arbeit</strong>skraft,<br />
den sie den „<strong>Arbeit</strong>skraftunternehmer“ nennen. Als Kennzeichen im Bereich der Qualität<br />
der <strong>Arbeit</strong>skraft führen sie auf:<br />
• „<strong>Arbeit</strong>skraft als individualisiertes „Halbfertigprodukt“<br />
• „Permanent weiterzuentwickelnde Fachfähigkeiten“<br />
Im Bereich der Zeitperspektive:<br />
18 Es stellt sich die Frage, ob der momentane wirtschaftliche Aufschwung <strong>und</strong> Beschäftigungszuwachs<br />
ursächlich mit den liberalisierenden <strong>Arbeit</strong>smarktreformen von 2005 zusammenhängt,<br />
oder ob er aufgr<strong>und</strong> der „normalen Schwankungen“ der Wirtschaft geschieht. Handelt es sich<br />
also wirklich um eine Trendwende oder eher um ein Strohfeuer? Die Daten des Instituts für <strong>Arbeit</strong>smarkt-<br />
<strong>und</strong> Berufsforschung (IAB) bestätigen den Rückgang der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit: Im August<br />
2007 waren ca. 3,7 Mio. Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet, im Vorjahr waren es<br />
4,37 Mio. (http://doku.iab.de). Und wenn es sich um eine Trendwende handelt, dann muss auch<br />
eine andere Frage in dem Zusammenhang gestellt werden: In welchen Bereichen sind die neuen<br />
<strong>Arbeit</strong>splätze entstanden <strong>und</strong> wie sind die Beschäftigungsverhältnisse ausgestaltet. Schaffen<br />
sie Teilhabe- <strong>und</strong> Integrationsoptionen oder bekommen wir zunehmend amerikanische Verhältnisse,<br />
in denen häufig der Job den Mann oder die Frau nicht mehr ausreichend ernährt? Unter<br />
dem Schlagwort „,Brasilianisierung des Westens’ am Beispiel der USA“ schreibt Beck (1999, S.<br />
111 ff.): „Die Zukunft der <strong>Arbeit</strong> kann in Brasilien besichtigt werden“ <strong>und</strong> meint damit eine Spaltung<br />
in hochqualifizierte <strong>und</strong> gut bezahlte <strong>Arbeit</strong>skräfte einerseits <strong>und</strong> prekäre Erwerbsbedingungen<br />
für gering Qualifizierte auf der anderen Seite. Ob der gegenwärtige Aufschwung Becks<br />
Thesen eher stützt oder eher widerlegt, ist eine spannende Frage, deren Vertiefung in unserem<br />
Rahmen allerdings zu weit führen würde.<br />
30