I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Das Kempodium e. V. – Allgäuer Zentrum für Eigenversorgung<br />
„Wenn man dann die Bretter <strong>und</strong> den Lack <strong>und</strong> die Schleifmaschine in der Hand hat,<br />
dann denkt man, man muss konzentriert arbeiten, man muss sich irgendwie nach den<br />
Zeichnungen richten <strong>und</strong> (…) man wird völlig abgelenkt. Und das ist der notwendige<br />
Ausgleich für mich“ (M 494-498). Diesen Ausgleich verknüpft er im Zusammenhang mit<br />
seiner beruflichen Tätigkeit als Programmierer: „das war wirklich so als… kann man<br />
sagen als Therapie. Ich hab vor fünf Jahren ein Projekt gehabt, wo ich so eingeb<strong>und</strong>en<br />
war, dass ich nachts schon davon träumte. (…) irgendwann hab ich gesagt: ich muss<br />
irgendwas am Abend machen, um einfach umzuschalten. Weil egal, wenn ich spazieren<br />
gegangen bin, hab ich weiter an die <strong>Arbeit</strong> gedacht. Und dann hab ich gesagt: hier,<br />
jetzt mach ich was.“ (M 489-494). Wichtig war ihm dabei die Präzision des Umschaltens:<br />
Der Ausgleich erfolgt für ihn nicht durch Nichts-Tun oder Entspannung, sondern<br />
über eine Konzentration auf eine andere Tätigkeit in Verbindung mit einer persönlichen<br />
Leidenschaft. Er setzt die beiden <strong>Arbeit</strong>sbereiche folgendermaßen in Beziehung: „Ich<br />
bin gerne Handwerker, weil ich beruflich Programmierer bin“ (M 477).<br />
Die Art zu arbeiten: „Da gibt´s keinen Erfolgsdruck, keinen Termindruck“<br />
Die Art des <strong>Arbeit</strong>ens in den Werkstätten beschrieben die BesucherInnen sehr eindrücklich.<br />
Auf die Frage, was für sie das <strong>Arbeit</strong>en von der <strong>Erwerbsarbeit</strong> unterscheidet,<br />
wurde dabei zum einen der Lustaspekt benannt: „Das macht man, wenn man gerade<br />
Lust dazu hat“ (M 626). Dieser Lustaspekt wurde mehrfach durch den Begriff Hobby<br />
präzisiert: „Andre Leut gehen zum Skifahren <strong>und</strong> ham sonst´n Hobby <strong>und</strong> ich bin halt in<br />
der Zeit, wo ich das gemacht habe, hier reingegangen, <strong>und</strong> das war wie´n Hobby“ (S<br />
205-206). Dabei wird deutlich, dass die Entscheidung, in den Werkstätten zu arbeiten,<br />
von den Befragten sehr bewusst getroffen wurde, als eine Alternative unter möglichen<br />
anderen. Das Wechseln in eine andere Welt, die Hobbywelt, ist damit verknüpft,<br />
„gr<strong>und</strong>sätzlich auch was ganz andres [zu tun], als man auch beruflich macht“ (S 547-<br />
548). Dieses gr<strong>und</strong>sätzlich Andere weist teilweise aber durchaus Bezüge zu nicht gelebten<br />
oder realisierten Ideen bzw. Plänen auf: Frau S z. B. berichtete, Schreinern sei<br />
„mal ein Berufswunsch“ (S 119) von ihr gewesen.<br />
Ein solches <strong>Arbeit</strong>en ist gleichzeitig auch losgelöst von Belastungen, die im <strong>Erwerbsarbeit</strong>sleben<br />
bestehen: „Da gibt´s keinen Erfolgsdruck, keinen Termindruck“ (M 626).<br />
Dabei spielen sowohl die Tätigkeit selbst als auch die eigene Zeit eine bedeutende<br />
Rolle. Das <strong>Arbeit</strong>en in den Werkstätten ist für alle Befragte vom „sich Zeit lassen können“<br />
(S 198) gekennzeichnet, während des Tätigseins „keine Hetze“ (S 530) zu haben<br />
<strong>und</strong> dem eigenen Rhythmus nachgehen zu können.<br />
Vor allem Herr G betonte in diesem Zusammenhang jedoch mehrfach, dass dies auch<br />
eine finanzielle Sache sei, denn: „Die Uhr läuft“ (G 70). Das Sich-Zeit-lassen ist also<br />
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