I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Das Kreativzentrum Wolfen-Nord<br />
Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher, ob einzeln oder als Gruppen, sieht das Team des Kreativzentrums<br />
als „K<strong>und</strong>en“, so wird auch über sie gesprochen. Es herrscht nach unserem<br />
Eindruck eine respektvolle <strong>und</strong> wertschätzende Atmosphäre, die sich auch darin<br />
zeigt, dass jeder mit seinen Bedürfnissen ernst genommen wird <strong>und</strong> auf ihn oder sie<br />
entsprechend eingegangen wird. Die MitarbeiterInnen versuchen, den Wünschen der<br />
K<strong>und</strong>Innen soweit als möglich zu entsprechen, sei es beim Catering, bei der Durchführung<br />
von Aktionen in Einkaufsmärkten oder in den Werkstätten „Weil, wir wollen ja<br />
k<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lich sein“ (L 221). Die eigene <strong>Arbeit</strong> wird hierbei als Dienstleistung verstanden.<br />
Die K<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichkeit geht sogar so weit, dass gelegentlich auf Bestellung<br />
gearbeitet wird. Während wir im Gespräch waren, brachte die Mitarbeiterin der Floristikwerkstatt<br />
ein Gesteck herein, woraufhin wir erfuhren: „Meistens kommt [die K<strong>und</strong>in]<br />
dann selber her <strong>und</strong> bastelt mit selber, aber wenn sie irgendwie sagt, sie ist beschäftigt,<br />
dann machen wir das auch“ (L 490-492). Auch in der Holzwerkstatt packen die<br />
beiden Anleiter schon mal mehr mit an, als nur anzuleiten: „…<strong>und</strong> da schneiden wir<br />
das dann schon zu“ (M 27). Dass man hier die Grenze zur Schwarzarbeit berührt, wird<br />
indirekt von den beiden Männern thematisiert, indem sie betonen, dass sie auf keinen<br />
Fall bereit sind, Lieferdienste zu übernehmen. „Nö, mach ich nicht.“(…) „Das geht gar<br />
nicht“ (M 292-298).<br />
Diese Punkte machen indirekt noch einmal deutlich: <strong>Eigenarbeit</strong> <strong>und</strong> Selbstorganisation<br />
sind Möglichkeiten von vielen im Haus. Den MitarbeiterInnen ist in erster Linie wichtig,<br />
eine Anlaufstelle zu bieten. Zufriedenheit der „K<strong>und</strong>en“ <strong>und</strong> deren Wiederkommen<br />
sind wichtiger als der Ansatz, zum Selber-Tun anzuregen.<br />
3.2.4 Stadtteil aus Sicht der BewohnerInnen<br />
Auf die Erzählaufforderung, etwas über das Leben in ihrem Stadtteil zu berichten, kamen<br />
die in Kap II 3.1.2 aufgezeigten Probleme schnell zur Sprache. Einer der Anleiter<br />
brachte es gleich mit ironisch-sarkastischer Gegenfrage auf den Punkt: „Was, in Armut<br />
oder Reichtum?“ (M 93). Nach Frau Kiontkes spontaner Einschätzung gibt es im Stadtteil<br />
90% <strong>Arbeit</strong>slose, sie relativiert dann: „Na ja, 70, 80% <strong>Arbeit</strong>slose. (…)…die <strong>Arbeit</strong>slosenzahl<br />
wird ja vermindert durch…der macht Umschulung, der macht Umschulung,<br />
der macht ´n 1-€-Job… die kommen alle aus´m <strong>Arbeit</strong>samt raus. Sind aber trotzdem<br />
Familien, die nicht viel haben“ (466-470). Die Rentnerinnen antworten in ähnlicher<br />
Weise: „wie viel Berufstätige gibt’s ’n hier noch in Wolfen-Nord? Also 90% sind Rentner<br />
oder Alte… oder <strong>Arbeit</strong>slose“ (RD 285-288). Der Wegzug der Menschen wird ebenfalls<br />
angesprochen: „’s wern immer weniger…die Rentner bleiben noch“ (RE 287-290).<br />
Auch wenn die offiziellen Zahlen die Situation nicht ganz so drastisch aussehen lassen,<br />
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