I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Die vergesellschaftende Kraft der <strong>Arbeit</strong><br />
Die Angst vor <strong>Arbeit</strong>slosigkeit ist der Motor für immer weitere Absenkung der Zumut-<br />
barkeitsgrenzen <strong>und</strong> zwar sowohl von staatlich-institutioneller Seite 12 , als auch der ei-<br />
genen inneren Grenzen dessen, was Menschen bereit sind (sein müssen) für einen<br />
bestimmten Lohn zu leisten.<br />
Die Technologieentwicklung <strong>und</strong> insbesondere die Digitalisierung bringen ebenfalls<br />
neue Anforderungen mit sich: Beck (1999, S.77). formuliert: „Digitalisierung ist am Ende<br />
mit einer neuen Art von Alphabetisierung gleichzusetzen: Wer die Computersprache<br />
nicht beherrscht, sieht sich aus dem Kreis gesellschaftlicher Kommunikation ausgeschlossen.“<br />
Gleichzeitig ermöglicht die kommunikative Vernetzung mit der ganzen Welt<br />
die Option, „zugleich hier <strong>und</strong> dort zu sein.“ Raum <strong>und</strong> Zeit werden in der <strong>Arbeit</strong>swelt<br />
mehr <strong>und</strong> mehr aufgehoben, es ist z. B. möglich, zu Hause zu sein <strong>und</strong> bei der <strong>Arbeit</strong>.<br />
Die seit der Industrialisierung erst herausgebildete Trennung der Sphären wird nun<br />
wieder aufgehoben, „als Reaktion darauf muss alltägliche Zeit verstärkt aktiv <strong>und</strong> reflexiv<br />
kontrollierend gestaltet <strong>und</strong> dabei letztlich eine je eigene Zeitordnung entwickelt<br />
werden“ (Jurczyk/ Voß 2000, S.151).<br />
Richard Sennet (1998, S. 85 f.) weist auf eine weitere Folge des Vormarschs des<br />
Computers oder computergesteuerter Anlagen für die <strong>Arbeit</strong>erInnen hin: Diese verkomplizieren<br />
die <strong>Arbeit</strong> nicht automatisch, je nach Einsatzfeld vereinfachen sie sie<br />
auch. Am Beispiel einer Bäckerei verdeutlicht Sennet seine Thesen. Er beschreibt zum<br />
einen große Erleichterungen im Bereich vormals körperlicher <strong>Arbeit</strong>, zum anderen aber<br />
stellt er eine neue Art der Entfremdung fest, die er „Unlesbarkeit“ nennt. „Inzwischen<br />
kommen die Bäcker nicht mehr mit den Zutaten der Brotlaibe in Berührung, da sie den<br />
gesamten Vorgang mit Hilfe von Bildschirmsymbolen überwachen (…). Brot ist ein<br />
Bildschirmsymbol geworden.(…) Also ist ihnen [den <strong>Arbeit</strong>skräften] ihre Tätigkeit nicht<br />
mehr in dem Sinne verständlich, dass sie wüssten, was sie eigentlich tun“ (ebd., S. 87).<br />
Mit der Globalisierung <strong>und</strong> Digitalisierung <strong>und</strong> immer stärkeren Automatisierung von<br />
<strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Herstellungsprozessen haben die Komplexität <strong>und</strong> die Zergliederung von<br />
<strong>Arbeit</strong>sabläufen enorm zugenommen. Im wahrsten Sinne des Wortes sind Teilprozesse<br />
für die <strong>Arbeit</strong>enden nicht mehr greifbar <strong>und</strong> entziehen sich damit auch ein Stück weit<br />
der Einflussnahme <strong>und</strong> Steuerung. Der Kontakt zum Produkt geschieht, wenn überhaupt<br />
nicht mehr auf einer unmittelbaren (körperlichen) Ebene, sondern über das abstrakte<br />
Wissen darüber, womit die Firma ihr Geld verdient. Dies mag für einzelne Branchen<br />
stärker zutreffen als für andere. Die Tendenz zu dieser neuen Art der<br />
Entfremdung ist unseres Erachtens allgemeiner Art.<br />
12 siehe auch §121 SGB III. Zumutbare Beschäftigungen. (1) Einem <strong>Arbeit</strong>slosen sind alle seiner<br />
<strong>Arbeit</strong>sfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene<br />
Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.<br />
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