I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Handwerkliche <strong>Arbeit</strong>sprozesse<br />
Antonovsky hat in diesem Zusammenhang den Begriff des Kohärenzsinns (kohärent =<br />
zusammenhängend, „Sinn des Zusammenhangs“) geprägt. Das Konzept des Kohärenzgefühls<br />
beschreibt „die Fähigkeit, angesichts vielfältiger gesellschaftlicher Optionen<br />
ein Gefühl von Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit <strong>und</strong> Handhabbarkeit zu entwickeln"<br />
(vgl. Wydler et al. 2000, S. 14). Der Kohärenzsinn veranschaulicht damit die Möglichkeit<br />
von Menschen, ihnen widerfahrene Ereignisse <strong>und</strong> Anforderungen<br />
• verstehen zu können (als geordnete, strukturierte Erlebnisse <strong>und</strong> sie sinnvoll interpretieren<br />
zu können),<br />
• sie als in der Biographie bedeutungsvoll einzuordnen <strong>und</strong><br />
• Situationen gestalten/ Einfluss nehmen zu können.<br />
Nach Antonovsky stellt der Kohärenzsinn die Gr<strong>und</strong>haltung eines Menschen gegenüber<br />
der Welt <strong>und</strong> ihren Ereignissen dar, er bezeichnet diese Haltung auch als „(…)<br />
globale Orientierung (…), die das Maß ausdrückt, in dem man ein durchdringendes,<br />
andauerndes, aber dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, daß die eigene interne<br />
<strong>und</strong> externe Umwelt vorhersehbar ist <strong>und</strong> daß es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt,<br />
daß sich die Dinge so entwickeln werden, wie vernünftigerweise erwartet werden<br />
kann.“ (Antonovsky 1997, S. 16). Ein gutes Kohärenzgefühl stärkt demnach Menschen<br />
in ihrem Umgang mit Herausforderungen <strong>und</strong> Stressoren.<br />
Bei der Herausbildung <strong>und</strong> Entwicklung des Kohärenzgefühls spielen soziokulturelle,<br />
biographische <strong>und</strong> interaktionistische Faktoren eine Rolle 35 .<br />
Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang auch Verknüpfungen zwischen dem<br />
Kohärenzgefühl <strong>und</strong> der Identitätsentwicklung (vgl. Höfer 2000, S. 57 f. <strong>und</strong> Keupp et<br />
al. 1999, S. 243 ff.). Auf diese Ausführungen kann hier nicht detailliert eingegangen<br />
werden. Als wichtig erachten wir in unserem Zusammenhang aber, dass gerade in der<br />
Zweiten oder Spätmoderne, die für Subjekte geprägt ist von fragmentierten, zersplitterten<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> Widersprüchlichkeiten – also eben nicht von ganzheitlichen Sinnzusammenhängen<br />
– die Fähigkeit, eigene Verknüpfungen <strong>und</strong> Passungen herzustellen<br />
<strong>und</strong> Ereignissen in der Biografie <strong>und</strong> im täglichen Erleben eine Bedeutungen zu geben,<br />
besonders wichtig ist.<br />
Greift man Gedanken des Kohärenzkonzeptes auf <strong>und</strong> übersetzt sie mit dem Begriff<br />
einer Lebensbewältigungsressource (siehe auch Kap. I 4.5), so können Prozesse<br />
35 Über die frühere Annahme Antonovskys, das Kohärenzgefühl entwickle sich vornehmlich in<br />
der Kindheit, besteht im fachlichen Diskurs aktuell keine Einigkeit. Die Einschätzungen sind hier<br />
unterschiedlich, u. a. aufgr<strong>und</strong> bislang wenig durchgeführter Studien <strong>und</strong> der Schwierigkeit,<br />
Messmethoden zu finden, die der Komplexität des Gegenstandes gerecht werden (vgl. Faltermaier<br />
2000, S. 188 f.). Es gibt aber durchaus Ergebnisse, die Annahmen begründen, dass das<br />
Kohärenzgefühl auch in späteren Lebensabschnitten veränderbar ist (z. B. im Zusammenhang<br />
mit Psychotherapie: vgl. Fäh 2000, S. 149 ff.).<br />
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