I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Das Kempodium e. V. – Allgäuer Zentrum für Eigenversorgung<br />
Es wurde deutlich, dass die Tätigkeiten in Kempodium-Werkstätten mit einer klaren<br />
Abgrenzung zum Beruf verb<strong>und</strong>en sind: die BesucherInnen bezeichnen sie als Hobby<br />
<strong>und</strong> Freizeit. Teilweise<br />
werden sie zum entlastenden Moment im Alltag <strong>und</strong> nehmen für<br />
manche NutzerInnen ausgleichende <strong>und</strong> therapeutische Funktionen ein. Es werden<br />
Momente gestalterischen Erlebens möglich, für die sonst<br />
keine Gelegenheit besteht.<br />
Stolz<br />
<strong>und</strong> Wertschätzung über die eigens gestalteten Werkstücke sowie Anerkennung<br />
durch außenstehende Personen stellen eine zentrale Wirkung der Tätigkeit dar.<br />
Daneben führt das Bewältigen einer Herausforderung<br />
zu einer Stärkung des Selbstver-<br />
trauens in die eigenen Fähigkeiten <strong>und</strong> zu einer Stärkung des persönlichen Entwicklungspotenzials.<br />
Erfahrungen dieser Art sind für die NutzerInnen bedeutsam, teils als einmalige, abgeschlossene,<br />
teils als regelmäßige Erfahrung im Alltag.<br />
Aufgr<strong>und</strong> obiger Zusammenfassung entspricht das <strong>handwerkliche</strong> Tätigsein im Kemp<br />
odium <strong>Eigenarbeit</strong><br />
im Sinne der anstiftung:<br />
Die Werkstatt-NutzerInnen sind „im eigenen Auftrag, mit den eigenen Kräften“ tätig <strong>und</strong><br />
sie tun dies „nach eigenem Konzept <strong>und</strong> für sich selbst“ (Mittelsten Scheid 1995, S.57) .<br />
Die Umsetzung ihrer Vorhaben sind von eigensinnigen Wegen, „individuellen Lösungen“<br />
geprägt, sie ermöglichen eine Konzentration „auf die vorhandenen Fähigkeiten,<br />
die eigene Ästhetik, den eigenen Nutzwert“ (vgl. anstiftung, Broschüre). Und ebenso<br />
„entscheidend ist, was der Tätige aus dem Selbermachen für <strong>und</strong> über sich selbst<br />
lernt“ (ebd.).<br />
Auf den ersten Blick sind Differenzen hinsichtlich der Bezeichnung der Tätigkeiten vorhanden:<br />
Die BesucherInnen benennen diese selbst eindeutig als Hobby <strong>und</strong> Freizeit,<br />
wohingegen die anstiftung eine deutliche Abgrenzung zu Freizeitaktivitäten vornimmt<br />
(siehe Kap. I 2). Diese Differenz ist aus unserer Sicht sprachlicher <strong>und</strong> erlebter Natur.<br />
Aus theoretischem Blickwinkel ist das, was die BesucherInnen in den Werkstätten tun,<br />
<strong>Eigenarbeit</strong>: denn auch wenn <strong>Arbeit</strong>sprozess <strong>und</strong> Sinn-Nutzen des Tätigseins als herausragendes<br />
Motiv erwähnt wurde, sind die Tätigkeiten dennoch keine „reine konsumptive<br />
Freizeitnutzung“ (nach Heinze/ Offe 1990a, S. 9); die Zielgerichtetheit der Ar-<br />
beit <strong>und</strong> der Produktbezug waren bei unseren GesprächspartnerInnen gleichwohl<br />
vorhanden. Dass sie ihr Tätigsein dennoch als Freizeit bezeichnen, kann damit zusammenhängen,<br />
dass der Begriff <strong>Eigenarbeit</strong> <strong>und</strong> die damit verknüpften Ideen wohl<br />
umgangssprachlich nicht geläufig sind. Es kann aber auch Ausdruck dafür sein, dass<br />
im persönlichen Erleben mit dem Begriff <strong>Arbeit</strong> hinlänglich <strong>Erwerbsarbeit</strong><br />
verb<strong>und</strong>en<br />
wird. Insofern ist nicht erkennbar, ob eine politisch-visionäre Dimension des Konzeptes<br />
<strong>Eigenarbeit</strong> hinsichtlich eines erweiterten <strong>Arbeit</strong>sbegriffs, der die Etablierung <strong>und</strong> Auf-<br />
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