I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Die vergesellschaftende Kraft der <strong>Arbeit</strong><br />
schen Wirtschaftsordnung mit der auf Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsum ausgerichteten<br />
Industrie <strong>und</strong> der als <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft konstruierten staatlichen Ordnung<br />
(soziales Versicherungssystem), kurz der sozialen Marktwirtschaft, wurde die Anpassung<br />
der Individuen an die „Normalitätsfiktion“ (Bonß 2002, S.9) weitgehend alternativlos<br />
(vgl. Galuske 2002, S.69). Es „wird nicht nur Reichtum produziert, sondern auch ein<br />
bestimmter Mensch, der Menschentyp, den die <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft braucht: der normalisierte-normierte<br />
Mensch, der dieser Gesellschaft entspricht“ (Gil bei Galuske 2002,<br />
S.35). Der wohlfahrtsstaatlich „abgefederte“ Kapitalismus wird auch als „Fordismus“<br />
bezeichnet (vgl. ebd., S.110).<br />
Normalarbeitsverhältnis meint: Berufseintritt nach einer Ausbildung in jungen Jahren,<br />
einer darauf folgenden kontinuierlichen Beschäftigung in Vollzeit bis zum Renteneintritt<br />
<strong>und</strong> der damit endenden beruflichen Aktivität. Hiermit korreliert z. B. das deutsche Rentensystem,<br />
das nur demjenigen die vollen Rentenansprüche zusichert, der diesen Weg<br />
gegangen ist. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass diese Normalität, oder vielleicht<br />
besser Norm für männliche Gesellschaftsmitglieder galt, während die Norm(alität)<br />
für Frauen die Hausfrauen- <strong>und</strong> Mutterrolle vorsah. Das fordistische Modell des Konsumkapitalismus<br />
zeitigte eben auch Folgen in der Sphäre der Reproduktion. Dabei ist<br />
ein „Standbein des Fordismus neben der Verallgemeinerung von Konsum <strong>und</strong> Lohnarbeit<br />
die Durchsetzung der Kleinfamilie“ (ebd., S. 67). Für Frauen galten lange Zeit der<br />
Beruf <strong>und</strong> die <strong>Arbeit</strong> des Mannes indirekt in der oben beschriebenen Weise mit: Existenzsicherheit,<br />
Status <strong>und</strong> Identität wurden hierüber erlangt.<br />
Beide Begriffe, <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft <strong>und</strong> Normalarbeitsverhältnis, treffen die Realität im<br />
vom Wiederaufbau geprägten Nachkriegsdeutschland relativ gut. <strong>Arbeit</strong> war nötig, um<br />
die durch den Krieg zerstörte Infrastruktur wiederaufzubauen. Sie hatte aber nicht nur<br />
pragmatische Gründe, sondern bot eine moralisch-ethische Projektionsfläche für Sinn<br />
<strong>und</strong> wurde zum wichtigsten F<strong>und</strong>ament einer neuen kollektiven Identität. „Somit kann<br />
die B<strong>und</strong>esrepublik für die ersten r<strong>und</strong> 30 Jahre ihres Bestehens primär als <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft<br />
charakterisiert werden“ (Fromme 2001, 616). Nochmals zusammengefasst<br />
die wesentlichen Kennzeichen dieser Epoche: „Verallgemeinerung von Lohnarbeit,<br />
Massenproduktion, Massenkonsum, Kleinfamilie als Reproduktionseinheit, Standardisierung<br />
von Lebensläufen <strong>und</strong> Ausbau sozialer Sicherungssysteme“ (Galuske 2002,<br />
S.68).<br />
Bisher völlig unberücksichtigt geblieben ist die Bedeutung der <strong>Arbeit</strong> im <strong>Arbeit</strong>er- <strong>und</strong><br />
Bauern-Staat DDR. Da wir als Untersuchungsgegenstand bewusst eine Einrichtung in<br />
den neuen B<strong>und</strong>esländern ausgewählt haben, möchten wir hier in einem kleinen Exkurs<br />
das Verhältnis zur <strong>Arbeit</strong> in der ehemaligen DDR nachzeichnen. Oskar Negt<br />
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