I Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, handwerkliche Arbeit und Soziale Arbeit
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Offene Werkstätten – ein Modell für die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong>?<br />
Inwieweit die Verantwortlichen des Kreativzentrums ihre <strong>Arbeit</strong> auch politisch verstehen,<br />
wie es Stadtteilarbeit in der Tradition der Gemeinwesenarbeit vorsieht, können wir<br />
nicht beurteilen. Letztendlich können nur die Betroffenen selbst beurteilen, wie für sie<br />
ihre Bilanz von Einmischung, Mitwirkung <strong>und</strong> persönlichem Nutzen zu kostenlosem<br />
Anbieten der eigenen <strong>Arbeit</strong>skraft aussieht.<br />
Experimentierraum<br />
Wir kommen auf die Gestaltungsspielräume zurück, die in charakteristischer Weise<br />
durch das Werkstattangebot eröffnet werden. Dabei wurde ein wichtiger Aspekt bisher<br />
nicht besprochen: Diese besondere Infrastruktur stellt einen Experimentierraum bereit,<br />
der gerade in der Zeit unsicherer Biografien <strong>und</strong> unter den Belastungen schwieriger<br />
Normalität wertvoll sein kann.<br />
Das Experimentieren kann hierbei auf zwei Ebenen gesehen werden. In der ersten Ebene<br />
sind es die Individuen, die die besondere Formen des Tätig-Seins für sich erproben<br />
<strong>und</strong> dabei die in Kap. II 5.2 <strong>und</strong> in Kap I 3 beschriebenen Erfahrungsmomente <strong>und</strong><br />
Selbstbildungsprozesse erleben können.<br />
Experimentieren können Menschen auch in Fragen des persönlichen Lebensstils <strong>und</strong><br />
der Lebensführung, sie haben die Möglichkeit, der <strong>handwerkliche</strong>n <strong>Arbeit</strong> in ihrem Leben<br />
einen Stellenwert einzuräumen, der über den Status eines Hobbys hinausgeht.<br />
Die zweite Ebene des Experimentierens sehen wir auf der institutionellen Ebene eines<br />
innovativen Projektes der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>. Angesichts der fragwürdig gewordenen Erreichbarkeit<br />
dauerhafter Erwerbstätigkeit muss sich die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> nicht nur zum<br />
Strukturwandel der <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft, sondern genauso zur Zukunft <strong>und</strong> zum Umbau<br />
des Sozialstaates verhalten (vgl. Böhnisch 2002, S. 206). Im Rahmen eines solchen<br />
Projektes kann eine <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> erprobt werden, die die Veränderungen der <strong>Arbeit</strong>sgesellschaft<br />
reflektiert. Die <strong>Arbeit</strong>smarktbezogenheit, die sie, der Normalisierungsthese<br />
folgend (siehe auch Kap. I 4.4), in vielen <strong>Arbeit</strong>sfeldern pflegt, könnte ein Stück weit<br />
aufgelockert oder partiell aufgehoben werden. Offene Werkstätten könnten ein normalisiertes,<br />
im Alltag präsentes, lebensweltorientiertes Hilfs-, Unterstützungs-, <strong>und</strong> Bildungsangebot<br />
sein (vgl. Thole 2002, S. 47).<br />
Für uns bedeutet das, dass sich <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> für die Aufdeckung der strukturellen Anteile<br />
des Konflikts in der Erwerbslosigkeit einsetzt <strong>und</strong> zwar sowohl in der Selbstaufklärung<br />
der Subjekte als auch als politische Einmischung. Dadurch könnte sie – durch die<br />
Herauslösung des Verständnisses von <strong>Erwerbsarbeit</strong> aus dem moralisch-ideologischen<br />
Zerrbild – die sozialpolitische Akzeptanz der sozialen Rolle „<strong>Erwerbsarbeit</strong>slose/r“ vergrößern.<br />
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