28.12.2013 Aufrufe

Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Materielle Beurteilung<br />

auch nicht selten «unter vier Augen» zur Gewaltanwendung, hatten die strengen<br />

Regeln der Achtungsmoral schliesslich auch dort Geltung. 838<br />

In einer Studie über strafrechtliche Sanktionen im frühneuzeitlichen Württemberg<br />

gelangte HELGA SCHNABEL-SCHÜLE im Jahr 1997 zur Erkenntnis, dass<br />

verbale Äusserungen, <strong>aus</strong> denen der einer Gewalttat vorangegangene Streit entstanden<br />

sei, oftmals von grosser sprachlicher Kargheit seien, wobei vor allem<br />

eine argumentative sprachliche Ebene bei den untersuchten Quellen völlig gefehlt<br />

habe. 839 Verbale Konfliktlösungsmuster seien noch keine wirkliche Alternative<br />

zu physischer Gewalt gewesen. Aufgrund eines Mangels an argumentativen<br />

Diskursen hätten verbale Reaktionen meist im Ausstossen aneinandergereihter<br />

Schimpfwörter bestanden, so die Studie. Diese wirkten in der ganzen<br />

Tragweite ihrer Wortbedeutung. Viele Schimpfwörter seien ehrenrührig gewesen,<br />

weshalb sie nicht ohne weiteres hätten hingenommen werden können und<br />

nicht selten den Auftakt für eine gewalttätige Auseinandersetzung bildeten. 840<br />

Die Ehre war mindestens ebenso wichtig wie die körperliche Integrität, sie<br />

wird mitunter sogar als Bestandteil dieser körperlichen Integrität betrachtet. 841<br />

Bei der einem Streit folgenden Gewalttat wurde in der Regel unbändige Kraft<br />

angewandt. Dies sei, so SCHNABEL-SCHÜLE, nicht immer mit Trunkenheit zu<br />

erklären. Die alltäglichen Verrichtungen forderten insgesamt wohl grosse Kraftanstrengungen,<br />

sodass in Konfliktfällen eine Beschränkung des Krafteinsatzes<br />

838<br />

839<br />

840<br />

841<br />

SCHWERHOFF, Gewaltkriminalität [2006], S. 65 f.<br />

Dasselbe gilt für verbale Äusserungen, mit denen gegebenenfalls der der Gewalttat vor<strong>aus</strong>gegangene<br />

Streit zu schlichten versucht worden war; SCHNABEL-SCHÜLE, Territorialstaat<br />

[1997], S. 244. SCHWERHOFF, Aktenkundig [1999] beobachtete ebenfalls eine erstaunlich<br />

schmale Varianz der gebräuchlichen Schmähworte über etliche Jahrhunderte<br />

hinweg, weist aber auf die zahlreichen Optionen für kreative Erweiterungen und Kombinationen<br />

hin, S. 124. Auch MICHAEL TOCH gelangte in einer Studie über Schimpfwörter<br />

im Dorf des Spätmittelalters zur Erkenntnis, dass die Beleidigungsworte stereotyp gebraucht<br />

wurden und die Ausdrücke eine relativ enge Bandbreite aufwiesen. Ähnliches erkennt<br />

er für weite Teile Mittel- und Westeuropas in späterer Zeit; wenn auch tentativ und<br />

mit Bereicherungen und Auffächerungen; TOCH [1993], S. 324.<br />

SCHNABEL-SCHÜLE, Territorialstaat [1997], S. 245; SCHWERHOFF, Gewaltkriminalität<br />

[2006], S. 66.<br />

SCHWERHOFF, Aktenkundig [1999], S. 122 f.; KNOTT [2006], S. 18. Für den sozialen Status<br />

des Einzelnen (insbesondere in der Dorfgemeinschaft) war in erster Linie dessen Ehre<br />

und erst in zweiter Linie Besitz und Stellung massgebend; VAN DÜLMEN, Leute [1983],<br />

S. 12.<br />

158

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!