28.12.2013 Aufrufe

Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Urteil und Strafe<br />

7.1.5 Begnadigung und Urfehde<br />

Das frühneuzeitliche Strafsystem kannte trotz (oder gerade wegen) seiner Strenge<br />

das Gnadenbitten bzw. die Begnadigung als zentralen Teil des damaligen<br />

Rechtsverständnisses. 1070 Von der Möglichkeit, beim st. gallischen Abt Fürbitte<br />

für einen Delinquenten einzulegen, machten häufig Verwande und Freunde bei<br />

an sich todeswürdigen Verbrechen Gebrauch. Als Fürbitter kamen auch Zunftgenossen,<br />

Geistliche, ehrbare Bürger oder sogar ganze Gemeinden in Frage. Je<br />

grösser die Zahl der Fürbitter und je qualifizierter ihr sozialer Status, desto eher<br />

konnte eine Strafmilderung erlangt werden. 1071 Die Motivation der Fürbitter war<br />

nicht immer nur Mitleid mit dem Delinquenten, sondern lag nicht selten in der<br />

Abwehr einer Strafe, die auch Angehörige oder Berufsgenossen treffen konnte.<br />

1072 Eine durch den Abt möglicherweise vorgenommene Strafmilderung bedingte<br />

oft zugleich eine Strafumwandlung. 1073<br />

Abt Beda «der Gütige» demonstrierte seine Milde besonders gerne mit der<br />

Begnadigung von Straftätern. Im Jahr seines Amtsantritts 1767 beschrieb er in<br />

seinem Tagebuch <strong>aus</strong>führlich, wie er eine zum Tod durch das Schwert verurteilte<br />

Kindsmörderin begnadigt hatte. Er hielt fest, er «vergosse nid gern blut bei<br />

antritt meiner regierung». 1074 Der Abt legte Wert darauf, jene Begnadigung bewusst<br />

spektakulär zu inszenieren: Der Gnadenbrief sollte erst im letzten Moment<br />

auf der Richtstätte verkündet werden. 1075<br />

1070<br />

1071<br />

1072<br />

1073<br />

1074<br />

1075<br />

VAN DÜLMEN, Theater [1995], S. 43.<br />

VAN DÜLMEN, Theater [1995], S. 44 f.<br />

Insbesondere sollten freilich unehrliche Strafen verhindert werden, die Schande über die<br />

Familie, Zunft oder Gemeinde eines Täters bringen konnten; VAN DÜLMEN, Theater<br />

[1995], S. 44.<br />

GRAF [1996], S. 94.<br />

Eintrag im Tagebuch Abt Bedas am 26. April 1767, StiASG, Bd. 282, S. 27 f. Die Verurteilte<br />

habe «ein grosse freundschaft» sowohl in der Alten Landschaft als auch im Toggenburg<br />

gehabt. Siehe auch SPECKER [1987], Beitrag vom 31. Oktober 1987.<br />

Am 27. April 1767 hielt Abt Beda in seinem Tagebuch zur Begnadigung der Kindsmörderin<br />

fest, er habe dem Landshofmeister und dem Kanzler angezeigt, dass er «aggratieren»<br />

wollte. Die Verurteilte wurde schon «bis auf den stock beim galgen» geführt. Der Abt<br />

schickte seinen Kammerdiener und einen Läufer zu Pferd mit einem siegelbehafteten<br />

Gnadenbrief zum Richtplatz. Sobald der Kammerdiener sehe, dass die Malefikantin auf<br />

den Stock hinaufgeführt würde, sollte er eilends zum den Reichsvogt vertretenden Fiskal<br />

reiten und ihm den Gnadenbrief <strong>aus</strong>händigen. Dann sollte der Fiskal laut «Gnad, Gnad»<br />

rufen und den Brief mit klarer Stimme dem ganzen Volk vorlesen. So geschah es. Dar-<br />

198

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!