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Pfalzrätliche Strafuntersuchung gegen Joseph Antoni Egger aus ...

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Materielle Beurteilung<br />

in der Regel völlig unkritisch war. 962 Das Bedürfnis nach geschriebenen aktuellen<br />

Nachrichten war nicht <strong>aus</strong>geprägt, sodass die im <strong>aus</strong>gehenden 17. Jahrhundert<br />

in St. Gallen erschienene «Ordinari Neue Wochen-Zeitung» 963 nur während<br />

weniger Jahre gedruckt wurde. Erst im 19. Jahrhundert begannen sich Zeitungen<br />

durchzusetzen. 964 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Wunsch<br />

nach neuer Literatur langsam hörbar und allmählich lauter. Im Zuge der Aufklärung<br />

begann man zudem, das Gelesene kritisch durchzudenken und zu beurteilen.<br />

Im <strong>aus</strong>gehenden 18. und schliesslich im 19. Jahrhundert bildeten sich Lesegesellschaften<br />

965 und öffentliche Bibliotheken. 966 Die Diskussion aufklärerischen<br />

Gedankenguts ging klar von der gebildeten Oberschicht <strong>aus</strong>. 967<br />

6.2.2.3 Die Geköpfte und die Wöchnerin<br />

Auch wenn die Obrigkeit, die <strong>Egger</strong> verhörte, offenbar Zweifel daran hatte, ob<br />

er tatsächlich nicht lesen konnte und ob er nicht vielleicht doch einiges über<br />

anatomische Zusammenhänge wusste, lassen sich in diese Richtung zielende<br />

Vermutungen durch die Akten nicht belegen. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass<br />

<strong>Egger</strong>, in dessen H<strong>aus</strong>halt nach Angaben seiner Ehefrau als einzige Bücher drei<br />

Gebetbüchlein ihrer Töchter existierten, 968 tatsächlich weder lesen noch schreiben<br />

konnte. Obwohl in räumlicher Nähe zur Stadt St. Gallen, lebte <strong>Egger</strong> in den<br />

Strukturen der Alten Landschaft doch ländlich. Er bewirtschaftete einen Hof.<br />

Vor dem Hintergrund der zu jener Zeit in den Stiftslanden vorherrschenden<br />

Schulstrukturen erscheint naheliegend, dass der 1746 geborene <strong>Egger</strong> nie zur<br />

Schule ging. Praktisches Wissen, insbesondere zur Bewirtschaftung des Hofs,<br />

hatte er sich wohl mit Hilfe seiner Vorfahren angeeignet. Über «gelehrtes» Wissen<br />

in irgendeiner Form dürfte er kaum verfügt haben.<br />

962<br />

963<br />

964<br />

965<br />

966<br />

967<br />

968<br />

BAUMANN MAX [2003]. S. 78 f.<br />

Gedruckt wahrscheinlich von 1681 bis 1686; KALKOFEN [1999], S. 825.<br />

KALKOFEN [1999], S. 825 f.; LEMMENMEIER [2003], S. 89.<br />

Die möglicherweise erste Lesegesellschaft der Schweiz entstand 1703 in St. Gallen,<br />

EBERLE [1999], S. 651 f.; KALKOFEN [1999], S. 818 f.; LEMMENMEIER [2003], S. 84.<br />

Einen Überblick mit weiteren Quellenangaben liefert BAUMANN MAX [2003], S. 81 f.<br />

BAUMANN MAX [2003], S. 83.<br />

Dok. 16, Zeugen<strong>aus</strong>sagen der Ehefrau, S. 9.<br />

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