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Jahre gibt. Nachts empfing er zuweilen Griechen, um von ihnen<br />

zu lernen. Die Weltordnung beunruhigte ihn nicht minder als das<br />

Wesen der Götter. Er hatte mit den Astrolabien im Portikus zu<br />

Alexandria die Äquinoktien beobachtet und hatte die Bematisten<br />

des Euergetes, die den Himmel durch Schrittzählungen ausmaßen,<br />

bis nach Kyrene begleitet. Und so war in seiner Gedankenwelt eine<br />

besondere Religion erstanden, ohne feste Formeln, aber gerade<br />

deshalb voller Glut und Mystik. Den Glauben, daß die Erde wie ein<br />

Pinienapfel gestaltet sei, hatte er abgetan. Er hielt sie für rund, für<br />

eine Scheibe, die ewig falle, in die Unendlichkeit hinein, mit einer so<br />

fabelhaften Geschwindigkeit, daß man ihren Fall gar nicht gewahr<br />

wird.<br />

Aus der Stellung der Sonne über dem Monde schloß er<br />

auf die Vorherrschaft des Sonnengottes, von dem die Sonne selbst<br />

nur Widerschein und Sinnbild war. Überdies zwang ihn alles, was<br />

er von irdischen Dingen beobachtete, zu der Erkenntnis, daß das<br />

vernichtende männliche Prinzip das höhere sei. Auch zieh er die<br />

Mondgöttin insgeheim der Schuld am Unglücke seines Lebens.<br />

Hatte ihn nicht ihretwegen der Oberpriester dereinst beim Schall<br />

der Zimbeln unter einer Schale siedenden Wassers der künftigen<br />

Mannheit beraubt? Schwermütig folgte sein Blick den Männern,<br />

die sich mit den heiligen Hetären der Tanit im Schatten der<br />

Terebinthenhaine verloren.<br />

Seine Tage rannen dahin, während er die Räucherpfannen<br />

beaufsichtigte, die goldnen Gefäße, die Feuerzangen, die Harken vor<br />

dem Altar, die Gewänder der Götterbilder und dergleichen mehr, bis<br />

herab zu der Metallnadel, mit der das Haar eines alten Tanitbildes<br />

gekräuselt wurde, in der dritten Kapelle nahe dem Weinstock mit<br />

den Smaragden. Immer zur nämlichen Stunde schlug er die breiten<br />

Vorhänge der nämlichen Türen zurück und ließ sie wieder fallen. In<br />

der nämlichen Haltung stand er mit ausgebreiteten Armen da oder<br />

lag betend auf den nämlichen Steinfliesen, während ein Schwarm<br />

von Priestern um ihn her barfuß durch die Gänge wallte, die in<br />

ewigem Dämmerlichte schlummerten.<br />

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