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hängte sie an Schnüren rings an den Wänden auf. Salambo wollte<br />

von niemandem gesehen werden, selbst von den Mauern nicht.<br />

Der Harfenspieler hockte hinter der Tür. Der Knabe stand aufrecht<br />

daneben und hielt eine Schilfflöte an seinen Lippen. In der Ferne,<br />

halbverklungen, summte der Straßenlärm. Die Säulenhallen der<br />

Tempel warfen lange violette Schatten, und auf der andern Seite<br />

des Golfes verschwammen die Bergzüge, die Olivenhaine und<br />

die gelben, endlos sich hinwellenden Felder in bläulichem Dufte.<br />

Man hörte keinen Laut. Unsägliche Mattigkeit lastete in der Luft.<br />

Salambo kauerte am Rande des Wasserbeckens auf der Onyxstufe<br />

nieder, streifte ihre weiten Ärmel zurück, befestigte sie hinter den<br />

Schultern und begann ihre Waschungen vorschriftsmäßig nach den<br />

heiligen Bräuchen.<br />

Dann brachte Taanach ihr in einem Alabasterfläschchen<br />

eine halbgeronnene Flüssigkeit. Es war das Blut eines schwarzen<br />

Hundes, der in einer Winternacht von unfruchtbaren Weibern in<br />

den Ruinen eines Grabes getötet worden war. Salambo rieb sich<br />

damit die Ohren, die Fersen und den Daumen der rechten Hand<br />

ein, wobei der Fingernagel ein wenig gerötet wurde, als hätte er<br />

eine Frucht zerdrückt.<br />

Der Mond ging auf. In diesem Augenblicke begannen<br />

Harfe und Flöte ineinander zu tönen.<br />

Salambo legte ihre Ohrgehänge, ihr Halsband, ihre<br />

Armringe und ihr langes weißes Obergewand ab, löste ihre<br />

Haarbinde und schüttelte ihr sie umwallendes Haar eine Weile<br />

leise, um sich an den Strähnen die Schultern zu kühlen. Die Musik<br />

draußen tönte fort: es waren drei hastige wilde Töne, die immer<br />

wiederkehrten. Die Saiten der Harfe klangen schrill, die Flöte<br />

gurgelte. Taanach schlug den Takt mit ihren Händen. Salambo<br />

wiegte sich mit ihrem ganzen Körper und sang Gebete ab, wobei<br />

ihre Kleider niederfielen, eins nach dem andern. Einer der schweren<br />

Teppiche an der Wand bewegte sich, und über der Schnur, die ihn<br />

trug, erschien der Kopf der Pythonschlange. Langsam glitt sie<br />

herab wie ein Wassertropfen, der an der Wand herunterrinnt, kroch<br />

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